Manche Leinwandhelden verkörpern unglaublich gerne bestimmte Rollen. Harrison Ford, der unter anderem für seine Auftritte als Dr. Henry Jones junior bekannt ist, ist solch ein Schauspieler. Was in den Filmen nicht immer gut aufgeht, ist in Videospielform eine andere Sache.
Groß war die Freude bei Fans, als Mitte der 2000er-Jahre bekannt wurde, dass Harrison Ford einmal mehr in einem Indiana-Jones-Film in seiner ikonischen Rolle zu sehen sein wird. Der Film spaltet bis heute die Gemüter und sorge dafür, dass mit „Nuking the Fridge“ sogar eine englischsprachige Redewendung entstand, die einen realitätsfernen Moment in einem Film beschreibt, der aus der Filmhandlung herausreißt. Nach Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels entstand 2023 nach ein paar Jahren in der Produktionshölle mit Indiana Jones und das Rad des Schicksals noch ein weiterer Film. Während der Dreharbeiten war Ford bereits um die achtzig Jahre alt. Trotz guter schauspielerischer Leistungen kam aber auch der fünfte Film gespalten bei den Fans an. Videospiele mit dem wohl berühmtesten Archäologieprofessor der Populärkultur gab es in dieser Zeit so gut wie gar nicht, obwohl die Marke so viel hergeben würde. Zugegeben hat die Konkurrenz die entstandene Lücke mit der Uncharted- und der Tomb-Raider-Reihe gut ausgefüllt. Mit Indiana Jones und der große Kreis erschien im Dezember 2024 für den PC und die Xbox Series X und im April 2025 für die PlayStation 5 jedoch ein First-Person-Abenteuerspiel, das für die recht lange Durststrecke auf ganzer Linie entschädigt. Besitzer einer Nintendo Switch 2 müssen noch bis 2026 warten.
Weltumspannendes Mysterium
Wer die Berichterstattung zum Action-Adventure vor Veröffentlichung verfolgt hat, wird wohl oder übel mitbekommen haben, dass sich nicht jeder mit der First-Person-Perspektive anfreunden kann. Denken wir dieses Szenario jedoch einmal 25 Jahre zurück, hätte sich dies bei Titeln wie Metroid Prime auch kaum jemand vorstellen können. Heute wissen wir, dass wir sowohl Samus Aran als auch Indiana Jones hervorragend im dreidimensionalen Raum aus der First-Person-Perspektive manövrieren können. Schon von der ersten Minute an fühlen wir uns in Dr. Henry Jones junior hineinversetzt, der ein neues Mysterium entschlüsseln will. Bei diesem geht es um den großen Kreis, unter dem sich wohl nicht jeder direkt etwas vorstellen kann. Wir wollen hier auch nicht zu sehr ins Detail gehen, doch möchten wir sagen, dass der große Kreis auch mehr ein Vorwand für weitere Relikte ist, die in die 1937 angesiedelte Geschichte eingewoben sind. Wofür diese Objekte genutzt wurden und warum die Nationalsozialisten sie benötigen, lüftet sich spätestens im groß angelegten Finale, das für erstaunte Gesichter sorgen dürfte. Definitiv ist das Ende der Reise, das uns mittels der ikonischen roten Linie auf einer Weltkarte unter anderem in den Vatikan und nach Ägypten führt, wesentlich versöhnlicher als beim vierten und fünften Kinofilm, was jedweden Fan beruhigen dürfte.
Lernfähiger Archäologe
Aus der First-Perspn-Perspektive erkunden wir in Indiana Jones und der große Kreis zum Beispiel die Engelsburg in Rom oder untersuchen die Geheimnisse unterhalb der großen Sphinx von Gizeh. Hauptsächlich klauben wir Informationen über Notizzettel oder Wandinschriften auf, die wir fein säuberlich in unserem Notizbuch unterbringen. Mit den gesammelten Informationen lösen wir verschiedene Rätsel, die manchmal leicht zu entschlüsseln sind, häufiger aber unseren Grips anstrengen. Mitunter will die Umgebung hierfür erst abfotografiert werden. Ebenfalls nehmen wir in den meist weitläufigen Gebieten Quests an, die Nebengeschichten erzählen, die leicht mit der Haupthandlung verbunden sind. Für fast jede Tätigkeit erhalten wir Abenteuerpunkte, die wir in unsere Ausbildung investieren. Mit gefundenen Büchern verbessern wir dann peu à peu unsere Fähigkeiten. Beispielsweise erhöhen wir so unsere Lebensenergie oder können mit unserer Peitsche Gegner entwaffnen. Auch der effektive Umgang mit Nahkampfwaffen lässt sich so erlernen. Im Gegensatz zu Nathan Drake aus der Uncharted-Reihe ist Indiana Jones wesentlich zerbrechlicher. Trotz Schusswaffeneinsatz ist er den deutschen Nationalsozialisten und den italienischen Faschisten meist unterlegen, weshalb ein lautloses oder zumindest taktisch durchdachtes Vorgehen stets ratsam beim Spielen ist.
Cineastisches Videospielvergnügen
Grundsätzlich spielt sich Indiana Jones und der große Kreis ordentlich. Da das Spiel vor allem auf das Rätsellösen abzielt, können wir uns alle Zeit der Welt lassen, um die Umgebungen zu erkunden. Wenn über uns ein Grab einzustürzen droht und wir aus diesem entkommen müssen, kann es auch hektisch werden. Die Übersicht geht aber nur dann flöten, wenn wir es im Kampf mit mehreren Gegnern gleichzeitig zu tun bekommen. Diese Momente sind rar gesät und stören die Atmosphäre kaum. Abhilfe schaffen Verkleidungen, sodass wir als Braunhemd bis auf Ausnahmen problemlos nationalsozialistische Lager infiltrieren. So gelangen wir an Orte, die für uns sonst zu gefährlich wären. Dies erinnert ans Metroidvania-Subgenre, was den Titel bereichert. Optisch sieht das Spiel fantastisch aus, setzt teils auf cineastische Kamerafahrten und läuft auf unserem Testrechner (Intel i5 13600K, GeForce RTX 4070, 32 GB DDR5 RAM) auf nahezu maximalen Grafikeinstellungen in Full-HD flüssig. Nur Raytracing müssen wir mit unserer Grafikkarte deaktivieren, da es sonst zu unschönen Rucklern und an manchen Stellen reproduzierbar zu Abstürzen kommt. Dafür entschädigen die tolle Musik und die hervorragenden deutschen Sprecher. Dr. Henry Jones junior wird von Florian Clyde Ho Chak Lüdtke gesprochen, der Harrison-Ford-Stammsprecher Wolfgang Pampel sehr nahe kommt. Passend zum Gameplay kommt also Feeling auf, das an die Kinofilme erinnert und Indiana Jones und der große Kreis wahrhaftig zu einem Muss für jeden Fan der Reihe macht.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Im Vorfeld war ich nicht angetan davon, dass Indiana Jones und der große Kreis auf eine nicht veränderbare First-Person-Ansicht setzt, obwohl das Spiel beim Abseilen mit der Peitsche oder Klettern an einem Felsvorsprung zur Third-Person-Perspektive wechselt. Tatsächlich ist dies nur eine Gewöhnungssache und sorgt dafür, dass ich mich wie Dr. Henry Jones junior fühle. Es macht mir viel Spaß, die Spielwelt zu erkunden, Informationen zu sammeln, Nebenaufgaben abzuschließen und Rätsel zu lösen. Obwohl diese manchmal etwas kniffliger sind, ist es stets befriedigend, am Ende selbst auf die richtige Lösung gekommen zu sein. Ständig erhalte ich Belohnungen in Form von Abenteuerpunkten, die ich motiviert auf etliche Fähigkeiten verteilen kann. Auch dass der Protagonist verletzlicher als Nathan Drake und Lara Croft ist, stört mit der Zeit nicht im Geringsten. Ich gehe bewusster respektive taktischer vor und bahne mir teils ohne gesehen zu werden, meinen Weg durch die feindlichen Linien. Audiovisuell ist das Spiel darüber hinaus ein fast schon cineastischer Genuss für mich, denn sowohl die Umgebungsgrafiken als auch die Charaktermodelle sehen großartig aus und werden mit der passenden Soundkulisse unterlegt. Darüber hinaus sind die Schauplätze der Realität nachempfunden. Wer schon einmal persönlich in der Engelsburg war, weiß, was ich meine. Indiana Jones und der große Kreis ist genau das Spiel geworden, das Fans des Archäologen verdient haben. Es bleibt zu hoffen, dass Entwicklerstudio MachineGames die wohlverdiente Chance erhält, dies mit einem Nachfolger zu toppen!
Vielen Dank an Bethesda Softworks für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Indiana Jones und der große Kreis!
Hinweis: Dieses Review bezieht sich nur auf das Hauptspiel. Obwohl uns die Premium Edition zu Rezensionszwecken zur Verfügung gestellt wurde, können wir aufgrund eines Bugs den Zusatzinhalt „Der Orden der Riesen“ nicht starten. So raten wir vom Kauf des Zusatzinhalts in der im Microsoft Store veröffentlichten Version aktuell ab (Stand: 21. September 2025).