Review: Ghost of Yōtei

2020 schickte uns Entwicklerstudio Sucker Punch Productions im Action-Adventure Ghost of Tsushima ins mittelalterliche Japan, um die Mongoleninvasion zu stoppen. Mit dem Nachfolger Ghost of Yōtei wird hingegen die frühe Neuzeit im Norden Japans unsicher gemacht.

Dunkle Seelen, sogenannte yūrei, nehmen in der japanischen Mythologie einen nicht unwichtigen Platz ein. Sie klammern sich an die Welt der Lebenden und versuchen jenen Menschen, die ihnen im Leben Leid und Schmerz angetan haben, dies zurückzuzahlen. Unter den Gespensterwesen finden sich auch onryō, verbitterte Seelen. Sie führen ihren Rachegedanken bis zum Tod aus. In Ghost of Yōtei schlüpfen wir in die Rolle eines solchen Rachegeistes oder besser gesagt in die Haut der Söldnerin Atsu, die sich mehr und mehr zur Attentäterin entwickelt. Vor anderthalb Jahrzehnten, also noch im Kindheitsalter, haben Fürst Saitō und seine fünf engsten Vertrauten sowohl ihre Eltern als auch ihren Bruder ermordet. Jahrelang für tot gehalten, kehrt sie im Jahr 1609 nach Ezo zurück, dem heutigen Hokkaidō. Sie will sich an den ominösen Yōtei-Sechs, wie Saitō und seine Bande in der Bevölkerung genannt werden, für ihre schändlichen Taten rächen. Zu Beginn des Spiels verfassen wir daher stilecht eine Todesliste – Quentin Jerome Tarantinos Kill Bill lässt grüßen. Der Kampf gegen den ersten Widersacher zeigt, dass wir für diese Aufgabe aber noch nicht gewappnet sind. Uns gelingt es zwar, den Antagonisten Schlange zu töten, doch verlieren wir dabei auch unser Leben. Kurz darauf erwachen wir jedoch wieder, sodass wir uns in Ezo einen Namen als onryō machen.

Romantisierte Rachegeschichte

Erzähltechnisch schlägt Ghost of Yōtei also exakt den gleichen Weg ein, den wir ebenfalls im Vorgänger auf der PlayStation 4 erleben können. Diesmal steht die Rache allerdings im Fokus der Handlung, da die Protagonistin selbst bezweckt, ihre Familie im Tod zu besänftigen. Dementsprechend darf an dieser Stelle nicht zu viel erwartet werden. Nichtsdestotrotz reicht die Story aus, um uns bei Laune zu halten. Vor allem die regelmäßigen Rückblenden, in denen wir Atsu im Kindheitsalter sogar selbst spielen dürfen, lassen uns eine emotionale Nähe zu den Figuren aufbauen. Hinzu kommen Nebencharaktere, die uns auf dem Weg der Rache mal mehr und mal weniger unterstützen. Diese Momente sind zwar nicht immer sehr tiefgründig, aber immer noch besser als die zahlreichen Szenen, die wir auf Ezo zuhauf erleben. Es ergibt zwar durchaus Sinn, dass wir uns mit Atsu selbst bei den unwichtigsten Statisten nach Anhaltspunkten zu den Yōtei-Sechs erkundigen, doch sind diese Situationen in dieser Intensität einfach zu viel des Guten. Abseits dessen gelangen wir an einzigartige wie zeitgenössische Orte wie einen Gasthof, eine Spielhölle, einen Reitstall oder einen gepflegten Garten. Authentisch und atmosphärisch ist hierbei der Umstand, dass die Insel im frühen 17. Jahrhundert nur sehr spärlich von Japanern besiedelt ist. Gelegentlich treffen wir im Spiel sogar auf Ainu.

Augen auf beim Erkunden

Beim Gameplay hat sich seit dem Vorgänger nur wenig getan. Genau wie bei Ghost of Tsushima handelt es sich bei Ghost of Yōtei um ein in einer offenen Spielwelt stattfindendes Action-Abenteuer. Das Besondere hierbei ist jedoch, dass unsere Karte nicht mit abzuarbeitenden Symbolen zugekleistert ist. Stattdessen erkunden wir Ezo auf eigene Faust und müssen uns dabei an der Umgebung orientieren. Steigt in der Ferne Rauch auf, so könnte es für uns dort etwas Interessantes zu entdecken geben. Wählen wir über die Karte im Menü hingegen unser nächstes Ziel aus, brauchen wir nur einmal unsere Finger über das Touchpad streichen und schon leiten uns visualisierte Windböen zum nächsten Ziel. Entdecken wir einen Vogel, so sollten wir diesem ebenfalls folgen, um Geheimnisse aufzuspüren. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Altäre, an denen wir mit neuen Talismanen zum Verbessern unserer Fähigkeiten belohnt werden. Manchmal erhalten wir durch Verbeugen vor Altären auch Aktionspunkte, mit denen wir Atsus Fähigkeiten für den Kampf steigern. Baden wir hingegen in heißen Quellen, steigert dies unsere maximale Gesundheit. Zerhacken wir Bambus an den dazugehörigen Ständen, wird weiterhin unser Geist gestärkt. Obwohl wir vieles selbst entdecken müssen, helfen später Kartenfragmente, Gerüchte und selbst Musikeinsatz beim Erkunden.

Farblich kodiertes Kampfsystem

Des Weiteren kommt es in Ghost of Yōtei oft genug zu Kämpfen, in denen wir unser Katana nach Belieben einsetzen dürfen. Später unterstützen weitere Waffentypen wie Kusarigama oder Odachi den Kampf, die besonders effektiv gegen bestimmte Gegner sind. Infiltrieren wir die quer durch Ezo verteilten Lager von Saitō, können auch Pfeil und Bogen sowie Pistolen und Gewehre hilfreich sein. Die Kämpfe gehen nach kurzer Einarbeitungszeit gut von der Hand, was an einem ausgeklügelten System liegt. So greifen unsere Feinde mit besonderen Attacken an, denen wir entweder ausweichen, sie kontern oder parieren müssen. Diese sind farblich kodiert und lassen uns fast schon automatisch den richtigen Aktionsknopf beim Aufleuchten drücken. Wem immer noch die Schweißperlen von Sekiro – Shadows Die Twice auf der Stirn stehen, darf beruhigt aufatmen: Das Kontern funktioniert aufgrund eines größeren Zeitfensters, das sich mit Talismanen sogar weiter ausweiten lässt, wesentlich angenehmer. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass der Schwierigkeitsgrad von Ghost of Yōtei auf der mittleren Stufe weder zu hoch noch zu niedrig ausfällt. Wer sich dennoch unter- beziehungsweise überfordert fühlt, kann den Schwierigkeitsgrad zudem jederzeit über das Menü anpassen. So bekommt am Ende wohl so gut wie jeder Spielertyp genau die Erfahrung, die er sich wünscht.

Verbeugung vor Regisseuren

Bedientechnisch ist das Werk von Sucker Punch über jeden Zweifel erhaben. Wer intuitiv mit der Umgebung harmoniert, verbessert schrittweise seinen Charakter und kommt stets ans Ziel. Mit gefundenen Rohstoffen und Geld lassen sich zudem Waffen verbessern oder die Munitionskapazität erhöhen. Haben wir Blüten gefunden, können wir Atsus Kleidung und Waffen auch kosmetisch anpassen. Sowohl in den Menüs als auch im Spiel selbst geht die Steuerung kinderleicht von der Hand. Nie fühlt sich Ghost of Yōtei unübersichtlich oder zu hakelig an. Bei der optischen Gestaltung hätten wir uns von einem Spiel für die PlayStation 5 aber etwas mehr erhofft. Uns gefallen zwar die Umgebungsgrafiken, sprich Landschaften und Architektur, doch gerade bei den Charaktermodellen wirkt das Spiel noch wie ein Titel der achten Konsolengeneration. Dafür gibt es mit dem Kurosawa-Modus einen Schwarzweißfilter und mit dem Miike-Modus nahe Kamerafahrten in den Kämpfen. Nicht nur vor diesen beiden Regisseuren verbeugen sich die Entwickler. Watanabe Shin’ichiro freut sich ebenfalls über einen eigenen Modus, der die japanisch angehauchte Musik durch Low Fidelity ersetzt, was zumindest zeitweise unfassbar stimmig ist und dem Titel eine ganz besondere Note verleiht. Wer solche Spielereien mag, dürfte mit Ghost of Yōtei für dutzende Stunden gut unterhalten sein.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit: Obwohl ich kein allzu großer Fan des Vorgängers bin, habe ich diesen sehr gerne und auch durchgespielt. Ghost of Yōtei schlägt in dieselbe Kerbe, funktioniert für mich aufgrund der Hauptfigur storytechnisch aber etwas besser. Auch die naturbelassene Darstellung von Ezo respektive Hokkaidō gefällt mir. Es passt einfach zum überwiegend entschleunigten Gameplay. Erkunden, Kletterpassagen und Kämpfe gehen Hand in Hand und ergänzen sich gegenseitig. Peu à peu lerne ich mit Atsu neue Fähigkeiten, erweitere ihr Waffenarsenal und verbessere ihre Rüstungen. Auch wenn sich mit der Zeit eine gewisse Wiederholung repetitiver Spielmechaniken einsetzt, macht das Spiel zwischendurch immer wieder Laune. Besonders das farblich kodierte Kampfsystem gefällt mir, das schon nach kurzer Zeit in Fleisch und Blut übergeht und in den allermeisten Fällen sehr fair bleibt. Hin und wieder komme ich auch nicht drumherum, den auch so schon angenehmen Soundtrack zumindest zeitweise durch Low-Fidelity-Musik im Watanabe-Modus auszutauschen. Da kommt richtiges Feeling an Anime-Serien wie Samurai Champloo auf. Wer mit Ghost of Tsushima bereits seinen Spaß hatte, wird diesen ohne große Überraschungen definitiv auch bei Ghost of Yōtei finden!

Vielen Dank an Sony Interactive Entertainment für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Ghost of Yōtei!

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