Titel aus dem Hause PlatinumGames reißen immer wieder aus der schieren Masse an Videospielen heraus. In Astral Chain übernehmen wir nicht nur die Kontrolle über einen Helden, sondern müssen zugleich auch noch eine zweite Spielfigur über den Bildschirm bugsieren.
Astral Chain ist mit Handlung und Szenario in der Zukunft angesiedelt. Im Jahr 2078 ist die Menschheit fast ausgestorben. Die letzten Überlebenden haben sich auf eine künstlich angelegte Insel mitten im Pazifik zurückgezogen. Allerdings haben die Menschen auch dort keine Ruhe vor den Angriffen der so genannten Chimären, die aus einer fremden Dimension in unsere Welt eindringen und für zahlreiche Vermisste verantwortlich sind. Was hinter dem Verschwinden verschiedener Personen steckt, gilt es unter anderem in Astral Chain herauszufinden. Dafür schlüpfen wir in die Rolle des Ziehsohnes oder der Ziehtochter von Max Howard, einem auf der Arche genannten Insel hochdekorierten Polizisten. Nachdem wir uns für einen Namen entschieden haben, wird uns unser Geschwisterchen so oder so als Akira vorgestellt, weshalb wir an dieser Stelle, um Verwechslungen vorzubeugen, von diesem Charakternamen abraten möchten. Ob wir uns für die männliche oder weibliche Spielfigur entscheiden, hat auf das Spielerlebnis keinerlei Einfluss. Über dreißig Spielstunden hinweg erfahren wir mehr über die Hintergründe, die Arche, unsere Kollegen und die Absichten unserer Gegenspieler. Obwohl die Geschichte stark beginnt, tröpfelt sie danach peu à peu vor sich hin, nur um kurz vor dem Finale noch einmal anzuziehen, um uns dann recht unbefriedigend zurück zu lassen.
Polizistenalltag
In Astral Chain kann die Story zwar leider nicht ihr volles Potenzial entfalten, doch überzeugt das auf zwölf Kapitel ausgelegte Action-Adventure dafür weitgehend mit seinem Gameplay – vor allem in der ersten Spielhälfte. So sind wir auf den Straßen der Arche unterwegs, befragen Passanten, sammeln Informationen, gehen Spuren nach und müssen diese richtig kombinieren. Das hat etwas von Detektivarbeit und steht im starken Kontrast zum sonst sehr actionreichen Portfolio des Entwicklers. Hinzu kommen Nebenquests, bei denen wir entlaufene Katzen retten, einem Kind einen großen Eisbecher spendieren oder die Entfernung zwischen zwei Punkten messen dürfen. Auch wenn die eine oder andere Aufgabe mit klassischen Konzepten wie dem Auflesen von Gegenständen oder dessen Transport auskommt, ist die Missionsvielfalt in Astral Chain durchaus abwechslungsreich. Es sei gesagt, dass gerade diese Nebenbeschäftigungen die Spielzeit strecken und das Storytelling so ein wenig an Glaubwürdigkeit einbüßt. Außer Acht lassen sollten wir die Nebenquests aber keinesfalls, da wir dadurch unseren Ruf als Polizist stärken, was uns nach und nach Beförderungen einbringt, wodurch wir beispielsweise mehr Lebensenergie zur Verfügung stehen haben. Dies ist insofern wichtig, da wir sehr häufig in die Astralebene gezogen werden, in der die gefährlichen Chimären auf uns lauern.
Im Kampf gegen Chimären
Um die Chimären in Astral Chain zu bekämpfen, bedienen wir uns zum einen unserem hochmodernen Schlagstock, der sich zudem in ein Breitschwert und eine Pistole verwandeln kann. So können wir zugleich auf flinke, hart gepanzerte und fliegende Gegner reagieren. Zum anderen nutzen wir unsere so genannte Legion. Hierbei handelt es sich um eine unter Kontrolle gebrachte Chimäre, die über die titelgebende Astralkette mit uns verbunden ist. Während wir unsere Spielfigur mit dem linken Analog-Stick bewegen, kontrollieren wir die Legion nachdem wir sie gerufen haben, über den rechten Stick. So können wir sie durch den Raum nicht nur zu den Gegnern manövrieren, sondern auch die Astralkette im Kampf ausnutzen. Können wir einen oder auch mehrere Feinde einmal mit der Kette umrunden, fesseln wir ihn damit für ein paar Sekunden. Dann ist der Feind für unsere Angriffe ein leichtes Ziel. Mit jeder besiegten Chimäre regnet es zugleich Erfahrungspunkte auf ein gemeinsames Konto. Mit der erlangten Erfahrung schalten wir passive Boni und nützliche Techniken frei, wodurch die Kämpfe mit ansteigender Spielzeit noch abwechslungsreicher und intensiver werden. Dies ist jedoch auch den unterschiedlichen Legions geschuldet, denn mit der Pfeil-Legion gehen wir in den Nahkampf, während wir mit der Axt-Legion den Schild einer Chimäre schlicht pulverisieren.
Toller Grafikstil trotz monotoner Astralebene
Hinzu kommt, dass die Legions einen Einfluss auf das Gameplay von Astral Chain außerhalb der hitzigen Gefechte haben. Bewegen wir die Astralkette mit einer schwebenden Legion über einen Abgrund, so dürfen wir uns flugs auf die andere Seite wirbeln. Auf der Bestien-Legion können wir wiederum reiten. Leider fühlen sich gerade diese beiden Aspekte aufgesetzt an, denn häufig setzt die Steuerung mal aus, weshalb wir dann in einen Abgrund fallen und Lebensenergie einbüßen. Andere Funktionen, wie beispielsweise einen Pfeil auf einen Schalter schießen, mit der Arm-Legion einen Durchgang öffnen oder die Axt-Legion einen brüchigen Block einreißen zu lassen, sind wesentlich einfacher umsetzbar, kommen aber im Vergleich zu selten vor. Bei den Abschnitten in der Astralebene handelt es sich leider um den wohl schwächsten Part des Spiels. Im Gegensatz zur Arche, auf der wir hell leuchtende Straßenschluchten, düstere Untergrundbahntunnel, ins Sonnenlicht gesetzte Häuserdächer und überbevölkerte Slums voller Elend erkunden, fehlt es der Astralebene an Variationen. Hier warten blockartige und lediglich in rötlichen Tönen dargestellte Strukturen auf uns, was auf Dauer zu monoton ist. Trotzdem gefallen uns der grundlegende Grafikstil und auch der Soundtrack, der uns sowohl mit seinen orchestralen als auch mit seinen elektronischen Klängen überzeugt.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit: Astral Chain ist ein überdurchschnittlich gutes Action-Adventure, das vor allem mit seinem frischen Ansatz glänzt. So macht vor allem das Sammeln von Anhaltspunkten, der Untersuchung einer Spur und schließlich das Kombinieren, um den Fall zu lösen, sehr viel Spaß. Auch die grandios inszenierten Kämpfe, bei denen höchstens die etwas träge Kameraführung zu bemängeln ist, können da mithalten. Leider geht dem futuristischen als auch fantasievollen Plot anfangs schnell die Puste aus und gerade als er sich wieder fängt und seinen Höhepunkt erreicht, bricht die Erzählung plötzlich ab. Ebenfalls ärgerlich sind die nervigen Geschicklichkeitspassagen in den zum Verwechseln ähnlichen Abschnitten in der Astralebene. Hier setzt das Kontrollieren der Legions gerne mal aus und führt zu unnötigem Frust. Trotzdem gehört das Spiel aufgrund seines schönen Anime-Stils und seinem tollen Soundtrack zu den Spielen, die den Action-Adventure-Fan auf der Switch begeistern. Unterm Strich bleibt zu hoffen, dass sich PlatinumGames dem Potenzial des Franchises bewusst ist und an einem Nachfolger arbeiten wird. Vor allem Story und Setting von Astral Chain hätten es verdient.
Jonas’ Fazit: Astral Chain bietet nicht nur herausragende Action, PlatinumGames versteht diese auch gebührend zu inszenieren. Auch ohne ein Meister des Action-Genres zu sein, haben Spieler schon nach wenigen Stunden die volle Kontrolle über die Legion und jeder neue Bossgegner bietet eine neue spaßige Herausforderung – selbst im höheren oder gar idealen der zwei Schwierigkeitsgrade. Am meisten Spaß machen die Kämpfe, wenn tatsächlich alle Möglichkeiten der Legions und damit unterschiedliche Strategien genutzt werden. Das Spektakel auf dem Bildschirm und die hohen Schadenswerte sind Belohnung genug. Etwas unübersichtlich ausgefallen sind die Menüs. Vor allem neue Fähigkeiten auszurüsten und überhaupt zu erkennen, was diese bewirken, erweist sich nicht als so einfach, wie es hätte sein können. Neben dem Kampfsystem überzeugt Astral Chain aber auch mit der optischen und akustischen Gestaltung, die Hand in Hand die neondurchflutete Stadt in Szene setzen. Ohne Zweifel ist Astral Chain eine der besten Action-Spiele der Nintendo Switch und setzt auch schon mal für Bayonetta 3 die Messlatte gehörig hoch!
Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Astral Chain!