Review: Master Detective Archives: Rain Code

Seit 2016 war das Adventure Master Detective Archives: Rain Code in Entwicklung. Dem Adventure ist jederzeit anzumerken, dass viel Aufwand in die Marke geflossen ist – nur leider wurde Handlung und Charakteren deutlich mehr Beachtung geschenkt als dem Gameplay.

Sieben Jahre sind auch für das junge Entwicklerstudio Too Kyo Games eine sehr lange Zeitspanne, um ein Spiel zu entwerfen und zu programmieren. Von der ersten Spielminute an haben wir beim im Juni 2023 veröffentlichten Master Detective Archives: Rain Code das Gefühl, dass die Story des Spiels viele spannende Wendungen und Überraschungen bietet. In dieser Hinsicht wird wohl auch niemand enttäuscht, doch ist das Spiel selbst für japanische Verhältnisse in einigen Punkten ziemlich abgedreht. Wir schlüpfen in die Rolle des jungen Nachwuchsdetektiven Yuma Kokohead, der an Amnesie leidend im Bahnhofsfundbüro mit einer Einladung in der Hand erwacht. In dieser wird er darum gebeten, mit dem Amaterasu-Express in den Kanai-Bezirk zu fahren und verschiedene Meisterdetektive zu treffen. Auf diese stößt er im sonst menschenleeren Zug, doch kurze Zeit später findet er diese auf perfide Art und Weise getötet vor. Es stellt sich die Frage, wer der Mörder ist. Noch dazu hat Yuma offenbar einen Vertrag mit einer Shinigami geschlossen, einer Tottengöttin aus der japanischen Mythologie. Mit der Ermittlung und der Suche nach dem Täter beginnt das Abenteuer des ungleichen Paars, das wirklich dicht erzählt ist. Leider geschieht dies in Master Detective Archives: Rain Code in epischer Textboxen-Breite und auf Dauer zu ermüdendem Gameplay.

Ausufernde Erzählung

Bitte nicht falsch verstehen: Wir mögen es, wenn sich eine tiefgründige Geschichte die Zeit nimmt, um sich zu entwickeln. Allerdings ist weniger manchmal mehr, denn wenn wir teilweise zwanzig Minuten lang am Stück durch wahlweise auf Japanisch oder Englisch synchronisierte Textboxen klicken, um die Protagonisten bis ins kleinste Detail zu erforschen, kann das sehr anstrengend sein. Wenn diese Figuren dann kurz darauf auch kaum mehr eine Rolle spielen, fällt dieser Umstand noch bedeutender ins Gewicht. Was Anime und Manga binnen einer Stunde erzählen, verschlingt in Master Detective Archives: Rain Code die vier- bis fünffache Zeitmenge. Das liegt auch daran, dass das Gameplay aus verschiedenen Elementen besteht, die in der Theorie zusammenpassen, praktisch aber ein anderes Bild erzeugen. Um Beweise zu sammeln, untersuchen wir den Tatort beziehungsweise alle hervorgehobenen Elemente. Freies Umschauen wie im thematisch ähnlichen Judgment aus dem Jahr 2018 ist nicht möglich. Die Ermittlung ist zwar aufschlussreich, wird aber alle zwei Minuten durch nervige Zwischensequenzen oder zumindest Dialoge unterbrochen. Um den wahren Täter zu überführen, müssen wir die Ermittlung auf der Metaebene fortführen. Hierbei handelt es sich um geheime Labyrinthe, die mehr oder weniger den Gedankenpalast von Yuma bilden.

Kryptische Gameplay-Elemente

In den Labyrinthen erwarten uns die Q genannten Gegner, die verhindern wollen, dass wir den Tathergang rekonstruieren können. In Master Detective Archives: Rain Code müssen wir diese Feinde insofern bekämpfen, dass wir ihren aus Wortfetzen bestehenden Angriffen ausweichen und erst eine geschriebene Aussage mit dem richtigen Lösungsschlüssel kontern, um einen Widerspruch aufzudecken. Das klingt logisch, kann aber sehr anstrengend sein, wenn wir zwischen mehrere Lösungsschlüsseln wechseln und auf den richtigen Moment warten müssen. Vor allem für jene Spieler, die wenig Englisch oder Japanisch beherrschen und auf die deutschen Untertitel ausweichen müssen, ist das ärgerlich, da sich die gesprochenen und auftauchenden Aussagen in der Größe dynamisch verändern. Verpassen wir den richtigen Moment oder treffen einen falschen Wortfetzen, müssen wir wieder von Vorne loslegen. Bei falschen „Angriffen“ nimmt sogar unsere Ausdauer ab, was aber je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad anders ausfällt. Zumindest vermuten wir dies, denn die Schwierigkeitsgrade sind alles andere als verständlich betitelt oder erklärt – und das passt irgendwie zu Master Detective Archives: Rain Code, das in manchen Punkten des Gameplays sehr kryptisch ausfällt. Es gibt aber auch weitere Gameplay-Elemente, die leider noch mehr wie Fremdkörper wirken.

Minispielfremdkörper

So verzieht sich der vollbusige Shinigami gelegentlich in eine Tonne, auf der Buchstaben gekritzelt sind. Einige, aber nicht alle Buchstaben, müssen wir hier unter Zeitdruck mit unserer Waffe attackieren. Unsere Aufgabe ist nämlich das Füllen eines kurzen Lückentextes. Je nach gesuchtem Wort kann das Minispiel nervig sein. Oft wissen wir zwar, was gemeint ist, doch wenn uns nur die Synonyme des gesuchten Begriffs einfallen, fühlen wir uns einfach nur wie der Ochs vom Berg. Fies ist auch, dass wir nicht den ersten und meist hilfreichsten Buchstaben ausprobieren dürfen, denn jeder Fehlversuch zieht uns wertvolle Sekunden ab. Scheitern wir, müssen wir nicht nur das Minispiel von Vorne beginnen, sondern auch einen Teil der vorherigen Sequenz über uns ergehen lassen. Master Detective Archives: Rain Code regt in solchen Momenten unfassbar auf. Die einzigen Minispiele, die problemlos und ohne Frust funktionieren, sind tatsächlich die Quick-Time-Events, welche viele Spieler noch aus Shenmue oder Resident Evil 4 in „guter“ Erinnerung haben. In diesem Adventure fallen diese aber deutlich fairer, dafür aber unspektakulärer aus. Entweder weichen wir mit Yuma Verfolgern aus oder wir werfen mit der zu einer gigantisch angewachsenen Shinigami Kanonenkugeln zurück oder reißen Wände mit ihr ein. Ja, auch das gehört zum Wahnsinn des Spiels.

Halbgare Rätselkost

All diese Elemente harmonieren nicht wirklich miteinander. Es gibt nicht nur stilistisch, sondern auch ludisch zu starke Brüche in Master Detective Archives: Rain Code. Dem Gameplay gelingt es nur gelegentlich, die Erzählung positiv aufzulockern. Im Umkehrschluss kann die Narrative nur bedingt über das maue Gameplay hinwegtäuschen. Nichtsdestotrotz lässt sich Yuma weitgehend gut steuern und auch sämtliche Befehle lassen sich kinderleicht eingeben. Als zum Release-Zeitpunkt exklusiver Titel für die Nintendo Switch macht das Adventure in technischer Hinsicht ebenfalls eine gute Figur. Gerade die Charaktermodelle im Anime-Stil überzeugen mit kleinen Details. Bei den Umgebungsgrafiken kommen gelegentlich zwar weniger schöne Unschärfe-Effekte hinzu, doch im Großen und Ganzen ist das Spiel der Hardware von Nintendos Handheld angemessen. Die musikalische Untermalung ist in den meisten Fällen jedoch bestenfalls als einschläfernd zu bezeichnen. Da ist es wohl niemanden zu verübeln, bei der Verbindung zwischen eintöniger Dudelei und ellenlangen Textboxen mal kurz einzunicken. Unterm Strich richtet sich Master Detective Archives: Rain Code eher an ein spezielles Publikum. Fans von Danganronpa und ähnlichen Werken können ruhig einen Blick riskieren, wer aber Wert auf gutes Pacing und ansprechendes Gameplay legt, wird enttäuscht.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit: Auf Master Detective Archives: Rain Code habe ich mir längere Zeit sehr gefreut, da das Spiel nach außen hin mit seinem markanten Stil positiv auf sich aufmerksam macht. Die Inszenierung, das Setting, die Story und die Charaktere wissen auch von der ersten Minute an zu überzeugen – nur macht das Spiel den großen Fehler, selbst unwichtige Details in epischem Umfang breitzutreten. Es dauert teils über eine Stunde, bis der Titel das Tempo für ein paar wenige Szenen anzieht. Hinzu kommt das Gameplay, das fast gänzlich wie ein Fremdkörper im Spiel wirkt und genauso kräftezehrend ist. In meinen Augen passen diese Elemente des Spiels vorne und hinten nicht zusammen, weshalb das Spiel selbst unter den langatmigsten Adventures maximal gehobener Durchschnitt ist. Master Detective Archives: Rain Code ist schlicht und einfach zu langwierig und lange nicht das, was Genre-Fans verdient hätten. Wer sich auf das Adventure einlassen will, muss Sitzfleisch und Geduld mitbringen, um sich an der durchaus mitreißenden Story und den Charakteren zu erfreuen. Wem die Defizite ein Dorn im Auge sind, findet auf der Switch wesentlich bessere Alternativen.

Jonas’ Fazit: Master Detective Archives: Rain Code punktet meiner Meinung nach schnell durch dieselben Reize wie Danganronpa. Nach dem Prolog ist mir allerdings klar, dass nicht alle Fälle, Geheimnisse und auch Figuren dieselbe Qualität bieten können. Auch Yuma finde ich die längste Zeit langweilig. Zumindest die Dynamik zur Shinigami empfinde ich vermehrt lustig als nervig. Das sind neben der Handlung und der begehbaren Welt auch die Gründe, warum mir Danganronpa noch einmal ein ganzes Stück besser gefällt. Neue Elemente wie die frei zu erkundende Stadt und eine Aufweichung der Gameplay-Elemente durch die geheimen Labyrinthe hätte es für mich nicht gebraucht. Dennoch sind es der Soundtrack und die kreativen Momente in den geheimen Labyrinthen, warum ich stets zu Master Detective Archives: Rain Code zurückkehre.

Vielen Dank an Spike Chunsoft für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Master Detective Archives: Rain Code!

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