Wenige Wochen vor dem Verfassen und der Veröffentlichung der Kolumne erschien mit Assassin’s Creed: Mirage ein Serienteil, der zurück zu den Anfängen der Reihe springt. Grund genug, die Videospielreihe mit Assassin’s Creed: Revelations weiter zu vertiefen!
Ihr kennt das Spiel bereits, solltet ihr die ersten drei Teile dieser Kolumne verfolgt haben. Es können ungeschönt Spoiler auftreten. Habt ihr also Assassin’s Creed: Revelations noch nicht gespielt, so lest ihr auf eigene Gefahr weiter. Wie immer werde ich das Erlebnis aus der Ich-Perspektive kommentieren, damit auch jedem bewusst wird, dass es sich hierbei auch tatsächlich um meine eigene Meinung handelt. Es versteht sich, dass ich hierbei mehr oder weniger bissig oder humorvoll an die Sache herangehe, denn manche Punkte des Spiels hätten mich auch bei der Erstveröffentlichung gestört. Gut, eine Rezension soll dies hier ja auch nicht werden – die hat 2012 mein Kollege Björn Rohwer schon für euch geschrieben. Trotzdem sollte angemerkt werden, dass meine Erfahrung sich auf die PlayStation-4-Fassung bezieht, die ich auf der PlayStation 5 gespielt habe. Soll heißen, dass der Mehrspieleraspekt unkommentiert bleibt. Einerseits existiert dieser Modus in dieser Fassung nicht. Andererseits wurden die Server für früher veröffentlichte Versionen im Oktober 2022 abgeschaltet. Das Beste daran: Es juckt mich nicht die Bohne, da ich ohnehin fast nie online spiele. Das Lustige an der Geschichte ist, dass ich mir 2012 extra wegen des Online-Modus das Spiel für die PlayStation 3 gekauft habe. Gerne dürft ihr raten, welche Version des Spiels bis heute verschweißt in meinem Regal steht. Das ist nicht sonderlich schwierig, wie ihr euch sehr wohl vorstellen könnt.
Eingekreiste Rahmenhandlung
Springen wir an dieser Stelle einmal zurück zum Finale von Assassin’s Creed: Brotherhood. Um den Edensplitter in die Hände zu bekommen, ist Desmond Miles mit seinem Team nach Rom aufgebrochen, um einen Tempel unterhalb des Kolosseums aufzubrechen. Mit dem Edensplitter in der Hand wird Desmond aus unerklärlichen Gründen von einem göttlichen Wesen instrumentalisiert. Er bringt seine Mitstreiterin Lucy Stillman um – die Person, die ich für den größten Sympathieträger in der Reihe bisher halte. Für Assassin’s Creed: Revelations ist das sowieso total unwichtig, da Ubisoft wohl gedacht hat, dass die Gegenwartspassagen Ballast für die Serie sind. Die spinnen doch! Desmond fällt in eine Art Koma, weshalb ich den Animus respektive das matrixartige Geschehen ohnehin bis zum Finale des Spiels nicht verlassen werde. Er steht kurz vor dem Kollaps. Da meldet sich Subjekt 16 aus seinem Unterbewusstsein, sprich sein Vorgänger, der von Abstergo Industries in den Tod getrieben wurde. Erinnert ihr euch an die Wandschmierereien am Ende vom ersten Serienteil? Dafür ist Subjekt 16 verantwortlich. Er hilft Desmond dabei, aus seinem komatösen Zustand zu erwachen. Dies geschieht, wie könnte es auch anders sein, durch Erinnerungen an Ezio Auditore da Firenze. Dieser ist nach Osten aufgebrochen, um die Bibliothek von Altaïr Ibn-La’Ahad zu finden.
Abwechslungsreiches Actionfeuerwerk nach altem Muster
Mit diesem zweiten Verweis auf den ersten Serienteil schließt sich der Kreis – und das macht Assassin’s Creed: Revelations außerordentlich gut. Im syrischen Maṣyāf angekommen, wird Ezio von Templern aufgehalten. Um die Tür zur Bibliothek öffnen zu können, sind insgesamt fünf mysteriöse Schlüssel vonnöten. Diese befinden sich ausnahmslos in Konstantinopel, dem heutigen İstanbul. Was für ein Zufall! In neun aufeinanderfolgenden Sequenzen muss ich mit Ezio wieder Aufträge erfüllen, Auftragsziele meucheln, mit dem Mord an einem Unschuldigen einen grauenvollen Fehler begehen und schlussendlich eine Verschwörung in adligen Reihen aufdecken. Wirklich gut gefällt mir hierbei, dass vor allem die Hauptmissionen recht abwechslungsreich sind. Ständig passiert etwas Aufregendes und gelegentlich fliegt irgendwo oder irgendwer in die Luft. So sieht Action in der beginnenden Neuzeit aus! Problematisch ist lediglich, dass das Gameplay äußerst stark dem Vorgänger ähnelt. Während ich Assassin’s Creed: Brotherhood bestenfalls als ein Assassin’s Creed 2.1 bezeichnen würde, ist Assassin’s Creed: Revelations für mich allerhöchstens ein Assassin’s Creed 2.15. Im Grunde kann ich jetzt zusätzlich nur verschiedene Bomben konstruieren, die mit Lammblut, Phosphor und Co gefüllt sind, und mit der Hakenklinge an Seilen hinabrutschen, mich manuell an Häuserdächern festhalten oder größere Sprünge an hängenden Lampen ausführen. Sinnvoll erweitert!
Belohnungen und „Belohnungen“
Ebenfalls ein neues Spielelement sind die Tower-Defense-Aufgaben, die ich mitunter über mich ergehen lassen muss, wenn ich zu viel Aufmerksamkeit errege und meine eroberten Stützpunkte nicht durch voll ausgebildete Assassinen besetze. Um diese zu rekrutieren, kann ich wie in Assassin’s Creed: Brotherhood Mitbürger, diesmal vor Janitscharen, retten. Anschließend arbeiten diese für mich, um mir Ruhm oder zumindest Reichtum zu bescheren. Unter anderem kann ich sie im Kampf um Hilfe bitten oder ich entsende sie für die Ausbildung für ein paar Minuten in eine andere Stadt. Das wissen viele nicht: Die Transportmittel im frühen 16. Jahrhundert waren schneller als heute und haben kaum bis keine Emissionen erzeugt. Klimakleber und dergleichen dürfte es heute also gar nicht geben! Spaß beiseite. Natürlich sind die nur wenige Minuten langen Kurztrips rund ums Mittelmeer nur Mittel zum Zweck. Sie eignen sich aber, um mein Bankkonto stetig zu füllen. Dies gelingt in Assassin’s Creed: Revelations ganz gut. Selbst nach dem Abspann habe ich, abgesehen von den gewinnbringenden Immobilien, nicht genug Geld beisammen, um mir alle Rüstungen und Waffen zu kaufen. Nötig ist das auch nicht, denn bei meinem Spieldurchlauf hielt ich mit Vlad III. Drăculeas Waffe bereits früh im Spiel ein starkes Schwert in den Händen. Die beste Rüstung legte Ezio durch das Ausbilden angeheuerter Assassinen in der Spielmitte automatisch an.
Das Tor zum Orient
Schon klar – das Spiel kann und will das Rad nicht neu erfinden. Es erschien nur ein Jahr nach Assassin’s Creed: Brotherhood. Ubisoft hat eben auf die aufstrebende Reihe gesetzt und verkaufte davon sieben Millionen Einheiten – etwa genauso viele wie beim Vorgänger. Falls ihr Fans seid, werdet ihr mir vielleicht den Handlungsort schmackhaft machen, aber dieser ist für mich das bisher langweiligste Setting der Reihe. Ja, die Moscheen sehen wirklich wunderschön aus. Einmal auf die für die Kuppelbauten der Architekturgeschichte unglaublich wichtige Ayasofya (Hagia Sophia) klettern ist schon ein Muss, wenn ich schon mal in İstanbul beziehungsweise Konstantinopel bin. Auch durch die schmucken Häfen stolziere ich gerne. Hier kommt genau das Feeling auf, was mir Ubisoft in Anno 1404 mit dem umstrittenen Begriff des Orients bereits vermittelt hat. Sobald ich mich aber einmal in die Straßenschluchten oder sagen wir mal Straßengräben, denn so tief sind die in Konstantinopel echt nicht, verirrt habe, wird das wahre Bild der Stadt deutlich. Sie ist potthässlich. Viele Lehm- und Holzbauten, die noch dazu auf viele Braun- und Grautöne setzen. Vom Prunk der Häfen, den hübschen Moscheen oder dem weitläufigen Topkapı-Palast ist dort, gerade auf dem asiatischen Teil der Stadt, nichts mehr zu sehen. Realitätsnähe in allen Ehren – die Stadt ist als Schauplatz für mich so nur schwer zu ertragen. Da bot selbst Roma etwas mehr Abwechslung.
Puzzleartige Boni
Während die Story um Ezio zum Finale hinleitet, gibt es zwischendurch immer mal wieder ein paar Sequenzen, in denen ich in die Haut von Altaïr schlüpfen kann. Das ist erfrischend, bleibt die Figur im ersten Serienteil doch eher blass. Heirat, Kinder, Ermordung von einem Sohn und der Ehefrau, der Schutz des Edensplitters und der ewige Konflikt mit seinem Rivalen sind richtig gut erzählt. Außerdem hat Ubisoft darauf geachtet, den am Ende – ohne Scherz – mehr als über neunzig Jahre alten Altaïr dann doch etwas langsamer zu machen. Ezio, der im Spiel immerhin die fünfzig Jahre überschritten hat, klettert und läuft noch genauso gut und gelenkig wie in seiner Sturm-und-Drang-Zeit. Egal was er nimmt, ich will es auch! Obwohl es keine Gegenwartsabschnitte im eigentlichen Sinne gibt, besteht die Möglichkeit, mich in Desmonds Gedanken zu vertiefen. Diese Abschnitte sind puzzleartig aufgebaut und werden überraschend aus der First-Person-Ansicht dargestellt. Hier setze ich ebene und rampenartige Plattformen vor mich ab, um an neue Orte zu gelangen. Grundsätzlich fühlt sich das sehr erfrischend an, ist es doch etwas ganz anderes. Leider passt es eigentlich nicht wirklich zum Spiel, bei dem das Gameplay ganz anders ist. Schlimmer ist da nur der aus dem Hauptmenü anwählbare Punkt Das verlorene Archiv, in dem ich im ähnlich aufgebauten Gameplay in die Haut von Subjekt 16 schlüpfe, bei dem Ubisoft so viel mehr hätte machen können.
Mehr Antworten als Fragen?
Keine Frage! Die Erkenntnisse, die ich über Desmond oder Clay Kaczmarek, wie Subjekt 16 mit bürgerlichen Namen heißt, sammle, sind durchaus wichtig. Ich werde noch tiefer in das ganze Geschehen um den Kampf zwischen Assassinen und Templern hineingezogen und verstehe anschließend mehr Hintergründe. Dass aber Das Verlorene Archiv in einer Zeitschleife endet, wenn ich nicht alle Collectibles einsammle, nervt mich tierisch. Entschuldigt, aber es ist echt kein Wunder, wenn sich Clay wegen des ganzen Abstergo-Mists umgebracht hat. Dennoch muss ich sagen, dass mir das Ende des Hauptspiels ganz gut gefällt. Es gibt deutlich mehr Antworten als ich eigentlich erwartet hatte. Beispielsweise gibt es mehr als einen Edensplitter. Soll heißen, der Edensplitter aus dem zweiten Serienteil und Assassin’s Creed: Brotherhood ist ein anderer wie im Seriendebüt und Assassin’s Creed: Revelations. Bei den Göttern handelt es sich wohl um die Erste Zivilisation auf der Erde, die die Menschen unterjocht hat. Eine Sonneneruption hat der damaligen Zivilisation wohl den Rest gegeben. Eine weitere soll folgen, die abgewendet werden muss. Schaut in meine Kolumne vom zweiten Serienteil: 21. Dezember 2012, das Ende des Maya-Kalenders. Darauf wird am Ende doch alles hinauslaufen! Die Hinweise verdichten sich. Zumindest bin ich mir jetzt ziemlich sicher, dass sich die Handlung in diese Richtung entwickeln wird. Überraschen würde es mich nicht.
Abschluss mit einem Kurzfilm
Mit Assassin’s Creed: Revelations endet die Geschichte um den Assassinen Ezio aber nicht. So hat Ubisoft einen weiteren Kurzfilm produzieren lassen, der an das Spiel anknüpft. Bei Assassin’s Creed: Embers handelt es sich im Gegensatz zu Assassin’s Creed: Lineage aber nicht um einen Realfilm, sondern um einen Animationsfilm. Dieser wirkt mit seiner Cel-Shading-Optik für meinen Geschmack zwar ein wenig zu bunt für das düstere Setting, doch beendet der Film Ezios Geschichte auf tragische Weise. Gesundheitlich angeschlagen trifft er auf eine chinesische Assassinin, die ihn um Hilfe bittet, um ihre Verfolger abzuschütteln. Über kurz oder lang verschwindet die Assassinin wieder und Ezio bereitet sich auf seinen Lebensabend vor. Er stirbt auf einer Bank vor dem Duomo in Florenz an den Folgen seiner Krankheit. Ezio hinterlässt Frau und Tochter. Die Blutlinie wird also irgendwie fortgesetzt, sodass im Jahr 2012 der ganze Desmond-Handlungsstrang in Bewegung gebracht werden kann. Nun frage ich mich, ob die Ausschlachtung dieses einen Charakters nötig gewesen wäre. Eine richtige Antwort darauf wird es, außer dass mehr Entwicklungszeit für ein Spiel nie verkehrt sein kann, vermutlich nie geben. Auch wenn nach Assassin’s Creed: Revelations die Müdigkeitserscheinungen extrem sind, gebe ich nicht auf. Assassin’s Creed III wird mich als nächstes in den Unabhängigkeitskrieg führen – und den darf ich doch nicht verpassen!
Geschrieben von Eric Ebelt