Kommt ein Videospiel bei Kritikern und Fans gleichermaßen gut an, so ist es nicht verwunderlich, wenn die Cashcow in den folgenden Jahren mit Fortsetzungen und weiteren Produkten erweitert wird. So geschah es im Jahr 2018 – da erhielt Persona 5 eine Anime-Umsetzung.
Mit dem 1996 veröffentlichten PlayStation-Rollenspiel Revelations: Persona ahnte Entwickler Atlus vermutlich nicht, dass das einstige Spin-off der Shin-Megami-Tensei-Reihe irgendwann einmal so erfolgreich sein und sich darunter sogar eines der besten japanischen Rollenspiele aller Zeiten befinden würde. Die Rede ist von Persona 5, das 2016 in seiner Ursprungsversion für die PlayStation 3 und die PlayStation 4 in Japan erschien. Im März 2020 erhielt das Spiel mit Persona 5: Royal sogar eine spielerisch verbesserte, inhaltlich erweiterte und sogar ins Deutsche übersetzte Version. Auf diesem Meisterwerk kann die Anime-Serie aus dem Jahr 2018 aus offensichtlichen Gründen zwar nicht aufbauen, aber immerhin auf die immer noch sehr, sehr gute Grundfassung. Persona 5: The Animation hält sich nahe an der Vorlage und erzählt die Geschichte des Protagonisten nach, der in der Anime-Fassung auf den Namen Amamiya Ren hört. Zu Beginn der Handlung gelangt der Oberschüler nach Tōkyō, da er in seiner Heimatstadt eines Verbrechens für schuldig befunden wurde – hier soll er resozialisiert werden und kommt beim Cafébetreiber Sakura Sōjirō unter. Beginnend mit dem Schulstart im April besucht er fortan die Shūjin Gakuen Kōkō in Japans Hauptstadt. Mit der Zeit lernt er seine Mitschüler kennen, schließt einige Freundschaften und findet darunter neue Verbündete.
Jugendliche gegen Erwachsene
Persona 5: The Animation erzählt eine komplexe, aber im Grunde doch leicht verdaubare Handlung. Sofern ihr die Grundversion des Rollenspiels kennt, erwarten euch keine Überraschungen. Habt ihr das Rollenspiel aus dem Jahr 2018 beziehungsweise 2020 aber noch nicht gespielt, so könnte euch das Setting zumindest anfänglich etwas verwirren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ren und seine Freunde in einen Sumpf des Verbrechens gezogen werden. Im Verlauf des Schuljahres begegnen sie unterschiedlichen Widersachern, die glauben, über dem Gesetz zu stehen. Lehrer vergreifen sich an Schülerinnen, Kredithaie beuten Gläubiger bis aufs letzte Hemd aus und Großunternehmer sehen ihre Angestellten als Werkzeuge und nicht als Menschen. All diese Bösewichte stehen in einem bestimmten Verhältnis zu den Hauptfiguren, weshalb die Jugendlichen sich gegen die Erwachsenen auflehnen. Dies passiert allerdings nicht in der realen Welt, sondern in einer Art Paralleldimension. In dieser verfügt jeder von düsteren Gedanken korrumpierter Mensch über einen aus ihren Gedanken geformten Palast, den die Helden zum Einsturz bringen müssen, damit die jeweiligen Personen in der realen Welt Reue zeigen und Verantwortung für ihre verwerflichen Taten übernehmen. Damit dies gelingt, müssen die Helden jedoch den größten Schatz ihres jeweiligen Gegners stehlen.
Grandiose Anime-Umsetzung – mit einer Ausnahme
Bis hierhin funktioniert die Umsetzung des Videospielstoffes als Anime wirklich hervorragend, zumal auch viele Nebenfiguren auftreten, die dem Helden im Spiel diverse Vorteile verschaffen, sofern er sich mit diesen anfreundet. Diese Helfer erfahren zwar keine allzu starke Charakterisierung, doch in Anbetracht der Textmenge des Rollenspiels ist es eine außerordentliche Leistung, dass diese überhaupt auftreten und ihre Charakteristika behalten. Problematisch ist lediglich die Umsetzung der Kämpfe, die in den Palästen stattfindet. Vom katzenartigen Wesen Morgana, welches der Truppe beitritt, erfahren sie die Einzelheiten, wie ein Schatz gestohlen werden kann. In Anbetracht der geplanten Raubzüge verkleiden sich Ren und seine Freunde, sobald ihre wahren Persönlichkeiten erwacht sind. Bei diesen handelt es sich um die titelgebenden Persona, die literarischen wie mythologischen Identitäten nachempfunden sind. Dies ermöglicht ihnen, sich zahlreichen Schatten genannten Kreaturen zu widersetzen. Was im Spiel notwendig ist, um der Erkundung der Paläste respektive Dungeons zusätzlichen Nervenkitzel zu geben. In der Anime-Serie bestehen die Kämpfe häufig nur aus der Beschwörung und ein bis zwei kurzen Angriffen. Bis auf vereinzelte Ausnahmen ist das recht unspektakulär. Hier hätten wir Animationsstudio CloverWorks schon etwas mehr zugetraut.
Überzeugendes Gesamtbild
Trotzdem gelingt es der 28 Episoden umfassenden Anime-Serie von der ersten bis zur letzten Minute den Grafikstil von Persona 5 hervorragend einzufangen. Das fängt bei Kleinigkeiten wie der Darstellung von Smartphone-Displays an, geht über originalgetreue Locations wie dem Café Leblanc im von Sangenjaya inspirierten Viertel Yongenjaya bis hin zur wiedererkennbaren Architektur in den Palästen. Unterlegt ist das Geschehen stets mit dem fantastischen Soundtrack aus den Spielen. Wer sich einmal bei Regenwetter in der Oberschule herumgetrieben hat oder mit den Freunden kleine Abenteuer erlebt hat, weiß genau, wovon die Rede ist. Audiovisuell ist Persona 5: The Animation wirklich eine Wucht. Auch die japanische Synchronisation macht Laune, da dieselben Sprecher wie im Spiel auftreten. Lediglich auf Matsuki Mieko und Tanaka Kazunari müssen Fans verzichten, da die beiden Sprecher 2015 und 2016 leider bereits verstarben. Bei der deutschen Synchronisation gibt es ebenfalls nichts zu rütteln. Im Gegenteil: Ilena Gwisdalla, Julian Manuel, Felix Mayer, Rieke Werner und Co sprechen ihre Rollen derart überzeugend, dass wir uns wünschten, dass auch das Rollenspiel in genau dieser Form synchronisiert wäre. Unterm Strich richtet sich die Serie klar an Kenner des Spiels, doch wer nicht die Möglichkeit hat, den Titel nachzuholen, aber schon so viel von diesem Meisterwerk gehört hat, wird von Persona 5: The Animation begeistert sein.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf dem Stream bei Crunchyroll): Als Persona 5 hierzulande erschien, habe ich den Anfang des Rollenspiels zwar regelrecht verschlungen, aber leider nie weitergespielt. Umso mehr freute es mich, dass mit Persona 5: Royal eine erweiterte wie verbesserte Version des Spiels erschien, das diesmal sogar vollständig lokalisiert wurde. Seitdem bin ich Fan des Franchises. Die ersten paar Folgen von Persona 5: The Animation habe ich vor ein paar Jahren auch gesehen, doch erst durch den Stream auf Crunchyroll war es mir möglich, die Serie endlich von Anfang bis Ende zu genießen. Selten ist es gelungen, ein Videospiel so gut in eine Anime-Umsetzung zu verwandeln. Es sind alle wichtigen Grundpfeiler enthalten und selbst Nebengeschichten kommen hier und da zum Tragen. Nie wird es mit den Charakteren und ihrem Kampf für die Gerechtigkeit langweilig. Zudem sieht die Anime-Umsetzung unverschämt gut aus und klingt auch an allen Ecken und Enden wie das Spiel. Sofort fühle ich mich ein paar Jahre zurückversetzt, wo ich eines der besten japanischen Rollenspiele aller Zeiten gespielt habe. Lediglich die Umsetzung der Kämpfe fällt unterdurchschnittlich aus. Ich habe hier zwar keine ellenlangen Auseinandersetzungen erwartet, aber wenn genauso viel oder sogar noch mehr Zeit zum Beschwören der Persona aufgebracht wird und die Kämpfe anschließend abgefrühstückt werden, ist das in Anbetracht der sonst herausragenden Qualität schon etwas bedauerlich. Wer das Rollenspiel gespielt hat, kommt um den Anime nicht herum. Alle anderen sollten das Ursprungswerk schnellstmöglich nachholen, doch auch wenn dafür keine Möglichkeit besteht, ist Persona 5: The Animation sehenswert – sei es nur, um nach dem Sichten mit anderen Fans des Franchises mitreden zu können.
Vielen Dank an Crunchyroll für die freundliche Bereitstellung des Zugangs zum Streaming-Angebot!