The Last of Us gehört erzähltechnisch zu den empfehlenswertesten Videospielen, wenngleich das Gameplay eher schmalspurig bleibt. Letzteres fällt zum Glück bei einer Verfilmung nicht ins Gewicht. Die erste Staffel zeigt zudem ziemlich gut, wie so eine Umsetzung auszusehen hat.
Seit Mitte der 2000er-Jahre steht das Entwicklerstudio Naughty Dog im Grunde für nur noch zwei große Videospielmarken. Auf der einen Seite Uncharted, auf der anderen Seite The Last of Us. Während Schatzjäger Nathan Drake und seine Freunde bereits in etlichen Abenteuern unterwegs waren, kommt die The-Last-of-Us-Reihe lediglich auf zwei Titel. Schlimm ist das nicht unbedingt, denn während das actionreiche Gameplay von Uncharted von Anfang bis Ende fluppt, sieht es bei The Last of Us bestenfalls mittelprächtig aus. Vereinzelte Stimmen, zu denen wir uns auch zählen würden, wurden laut: Das Spiel würde als Film oder sogar als Serie deutlich besser funktionieren. Bereits 2014 war eine Filmadaption des Stoffes in Arbeit, die jedoch nie vollends realisiert werden konnte. Es wurde still um das Projekt. Erst im Jahr 2020 sollte das Videospiel von 2013 endlich verfilmt beziehungsweise als Serie umgesetzt werden. Nach und nach sickerten Informationen bezüglich Regisseuren, Darstellern und Länge der Staffel durch. Anfang 2023 war es endlich soweit und die unter anderem von Sony Pictures Television produzierte neunteilige Serie wurde weltweit zeitgleich bei verschiedenen Anbietern veröffentlicht. Für viele Fans war schnell klar, dass die Serie absolut gelungen sei und einen Spagat hinlegte, an dem viele Filmumsetzungen von Videospielen scheiterten.
Massentaugliche Postapokalypse
Vielleicht funktioniert The Last of Us als Fernsehserie auch deshalb so gut, da das Setting in vielerlei Hinsicht bekannt ist. Seit 2010 huschen in The Walking Dead beziehungsweise den Spin-offs Infizierte über den Bildschirm. In den Kinos sind es hingegen die weniger gelungenen Interpretationen der Videospielreihe Resident Evil, die den Protagonisten das Leben zur Hölle machen. So auch in The Last of Us: In dieser Version der vereinfacht ausgedrückten Postapokalypse voller Zombies hat die Pilzgattung Cordyceps erstmals einen Menschen infiziert. Binnen weniger Tage geht die uns bekannte Welt zugrunde, was im Spiel wie in der Serie ausschnittartig gezeigt wird. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der Überlebenskünstler Joel Miller, der den Auftrag annimmt, das Mädchen Ellie aus einer Quarantänenzone zur militärischen Organisation der Fireflies zu eskortieren. Im Verlauf der behutsam erzählten Story stellt sich heraus, was an Ellie so besonders ist. Zumindest für die erste Staffel hat die Reise ein Ziel und eine Bedeutung; das ist etwas, woran The Walking Dead im Lauf der Jahre immer wieder gescheitert ist und sich zu einer endlos drehenden Spirale innerhalb des postapokalyptischen Szenarios entwickelte. Sollte die Gier aufgrund Beliebtheit und Erfolg von The Last of Us nicht allzu groß werden, dürfte der Serie dieses Schicksal aber erspart bleiben.
Identisches Szenario mit Abweichungen
Eine Geschichte zu erzählen, in denen Joel und Ellie monatelang zu zweit unterwegs sind, mag in Videospielform funktionieren, da die Dialoge quasi simultan zum Lösen von Rätseln und Bekämpfen von Infizierten ablaufen, für die Film- respektive Serienform mussten hierfür Anpassungen vorgenommen werden. Deshalb springt die Serie zwischen verschiedenen Zeitebenen, Charakteren und Orten hin und her. Auch wenn der eigentliche Handlungsverlauf unberührt bleibt, gibt es dennoch ein paar notwendige Abweichungen. Beispielsweise erhält der Zuschauer in der ersten Episode einen intensiveren Eindruck vom Ausbruch. Joels Nachbarn sind infiziert und machen Jagd auf ihn, seinen Bruder Tommy und seine Tochter Sarah. An anderer Stelle wird Indonesiens Hauptstadt Jakarta für ein paar Minuten zum Dreh- und Angelpunkt des Ausbruchs. Auch Joels und Ellies Zusammentreffen mit der Figur Bill läuft in der Serie gänzlich anders ab als im Spiel. All das berührt den Kanon nur wenig, macht aber deutlich, wo die Stellschrauben notwendigerweise angesetzt werden mussten. Nichts vom seinem Glanz verloren hat die Chemie zwischen Joel und Ellie. In der Serie wird diese Magie von José Pedro Balmaceda Pascal und Isabella May Ramsey transportiert. Anfangs mag Ramsey für die Rolle unpassend wirken, doch mausert sie sich schnell zum Publikumsliebling.
Cineastische Inszenierung
In den 2000er-Jahren lernten Entwickler, wie sie Videospiele cineastisch präsentieren können. Hier seien Klassiker wie das Actionspiel Mafia aus dem Jahr 2002 oder das interaktive Abenteuer Heavy Rain von 2010 als Beispiele genannt. Beide Spiele markieren einen Zeitraum, in dem Videospiele sich unfassbar schnell wandelten, da die Technik sehr große Sprünge machte. The Last of Us erschien 2013 und demonstriert bis heute das, was die Entwickler von ihrer Arbeit mit dem bombastisch wie cineastisch inszenierten Uncharted-Reihe gelernt haben. So lehnen sich viele Kamerafahrten und Perspektiven im Spiel an das an, was in der Filmwissenschaft breit diskutiert und untersucht wird. Viele dieser Szenen finden sich überaus ähnlich auch in der Serienadaption wieder. Es bleibt allerdings nicht dabei, denn Film ist ein kreatives Medium, in dem auch die Regisseure sowie Kameramänner und -frauen einen Einfluss auf das letztlich Gezeigte haben. Da vor Drehbeginn auch The Last of Us: Part II veröffentlicht wurde, gibt es in der Serie sogar Verknüpfungen zum zweiten Serienteil zu sehen, die in einer früheren Veröffentlichung als Kinofilm undenkbar gewesen wären. Die Köpfe hinter dem Projekt haben sich genau überlegt, wie sie die Serie aufziehen und strukturieren müssen, damit nicht nur Kenner angesprochen, sondern auch ganz neue Fans generiert werden können.
Mit Fingerspitzengefühl zur Postapokalypse
Damit möchten wir sagen, dass der Kinofilm schon früh damit begonnen hat, Entwickler von Videospielen zu inspirieren – und genau diese Inspiration schießt nun mit voller Wucht auf das ursprüngliche oder besser gesagt zur Serie weiterentwickelte Medium zurück. Zudem hat dies für die sich bereits in Produktion befindliche zweite Staffel den Vorteil, ein stimmigeres Gesamtbild zu präsentieren als es in den technisch leicht unterschiedlichen beiden Videospielen von The Last of Us der Fall ist. Wer beide Spiele kennt, der weiß, dass Protagonist Joel auch in der Serie mindestens eine folgenschwere Entscheidung trifft. Genaueres wollen wir für all jene, die die Spiele nicht kennen, nicht verraten. Hier bleibt es jedoch spannend, wie genau der Bogen mit entsprechenden Kameraeinstellungen und Überblendtechniken in der zweiten Staffel geschlagen wird. Fantastisch ist ebenfalls, dass der argentinische Komponist Gustavo Alfredo Santaolalla wieder mit an Bord ist, der sich bereits für den Soundtrack der Videospiele verantwortlich zeichnet. Gemeinsam mit dem Amerikaner David Fleming gelingt es ihm, die postapokalyptische, dystopische und teilweise gar apathische Stimmung mit regelrechtem Fingerspitzengefühl einzufangen. Inhalt, Bilder und Musik bleiben so nachhaltig im Gedächtnis. Unterm Strich mag die erste Staffel von The Last of Us nicht für jeden Fan des Videospiels perfekt sein. Dennoch ist es eine wahnsinnig liebevolle Umsetzung des Stoffes.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf dem Stream bei WOW): In den letzten Jahren habe ich die beiden Videospiele der The-Last-of-Us-Reihe durchgespielt. Für mich sind beide Titel durchschnittlich. Sie leiden gerade spieltechnisch an Problemen, haben aber große Stärken im Bereich der Erzählkunst und Inszenierung. Gerade deshalb hätte ich mir viel eher Filme oder gar eine Serie gewünscht, die den spannenden Inhalt umsetzt. Dieser Wunsch ging in Erfüllung – und mit dem Ergebnis bin ich durchaus zufrieden. Inhaltlich deckt die erste Staffel das erste Spiel ab und zeigt mir ähnlich schonungslos die menschlichen Abgründe und Ängste auf. Obwohl auch das Videospiel fantastisch inszeniert ist, setzt erst die Serie dem Ganzen die Krone auf. Es ist keine einfache Umsetzung des Stoffes und die Köpfe hinter dem Projekt haben sich ganz genau überlegt, an welchen Stellen Änderungen vorgenommen werden müssen. Ein paar neue Szenen hier und eine vertiefte Charakterisierung einer Figur dort: Diese neuen Einblicke funktionieren deshalb so gut, da sie den eigentlichen Inhalt nur tangieren, aber nicht völlig umschreiben. Ich bekomme genau die Story, die ich auch erwarte – nur eben mit ein paar leichten Änderungen, Ergänzungen oder Anmerkungen. Habt ihr die beiden Spiele nicht gespielt, dürfte The Last of Us als Serie sogar noch interessanter und spannender sein, da ihr manche Wendungen nicht kommen sehen dürftet. Nichtsdestotrotz gehört die Serie meiner Meinung nach zu den besten Film- beziehungsweise Serienumsetzungen, die auf Videospielen basieren. Fans von postapokalyptischen Szenarien müssen einen Blick riskieren!