Zum zwanzigjährigen Jubiläum der Anime-Serie hat Animationsstudio Tōei Animation den inzwischen dreizehnten Kinofilm zu One Piece im Jahr 2019 in japanischen Lichtspielhäusern veröffentlicht. Bei Kazé Anime erschien der Film mit leichter Verspätung erst im Juni 2020.
Häufig, aber nicht immer ist es der Fall, dass ein Film aus dem One-Piece-Franchise zwischen zwei Episoden in der Serie problemlos untergebracht werden könnte. Auch wenn die meisten Kinofilme der Marke offiziell nicht zum Kanon gehören, ist dies in der Regel aber eine gute Möglichkeit, nahtlos ein weiteres Abenteuer mit den Strohhutpiraten rund um Protagonist Monkey D. Ruffy zu erleben. Beim dreizehnten Film, One Piece: Stampede, ist dies aber gar nicht möglich. Der Zuschauer erfährt relativ zu Beginn des Films, dass Ruffys Kopfgeld auf 1,5 Milliarden Berry angestiegen ist. Entsprechend muss der Film nach der Flucht von Whole Cake Island spielen. Allerdings befinden sich auf der Thousand Sunny gleich alle Strohhüte an Bord, obwohl einige von ihnen bereits auf Wa no Kuni im Verborgenen operieren. Wer die Folgen der 30. Serienbox von One Piece bereits gesehen hat, dem dürften wohl oder übel auch die beiden Bonus-Episoden aufgefallen sein, in denen die ganze Crew von einem Kopfgeldjäger verfolgt werden. One Piece: Stampede lässt sich sehr gut als Fortsetzung zu diesen Folgen verstehen – ein Film in einem Paralleluniversum sozusagen. So tragen die Charaktere beispielsweise andere Outfits. Versuche, den Film nach den Geschehnissen auf Wa no Kuni einzuordnen, würden aufgrund Details, die Spoiler wären, wohl ebenfalls nicht möglich sein.
Zum Greifen nahe: Das One Piece
Zu Beginn des Films erfährt der Zuschauer, wie Marshall D. Teach, besser bekannt als Blackbeard, eine Gruppe von Piraten aus dem Gefängnis befreit. Dort entdeckt er auch Douglas Bullet, der einstmals zu Gold Rogers’ Piratenbande gehört hat. Es folgt ein zweijähriger Zeitsprung. Die Strohhüte sind sorgenfrei wie eh und je auf der Grandline unterwegs. Inhaltlich beschäftigt sich der Film mit der in Bälde stattfindenden Piraten-Expo, die in besagten Bonus-Episoden kurz angerissen wird. Hier treffen sich alle Piraten, die Rang und Namen haben. So sollen auf der von Buena Festa, dem selbsternannten „Meister der Feste“, durchgeführten Ausstellung unterschiedliche Wettkämpfe ausgefochten werden. Schon kurz nach Beginn werden die Strohhüte in den wohl wichtigsten Wettkampf ihrer Karriere geschmissen, denn welchem Piraten es gelingt, eine in die Luft emporschießende Wassersäule zu erklimmen und auf einer schwebenden Insel sich durch die anderen Teilnehmer durchzusetzen, gewinnt einen unglaublichen Preis. Hierbei soll es sich wahrhaftig um das titelgebende One Piece handeln, das überraschenderweise in eine kleine Truhe passt. Was es genau mit der Kiste auf sich hat, sollte der Zuschauer aber lieber selbst herausfinden. Nach zwanzig Jahren aber so mit den Erwartungen der Fans zu spielen, ist definitiv ein mutiger wie gewagter Schritt in der Story.
Altbekannte Stilmittel der Anime-Serie
Dass sich der Traum der Piraten-Expo mit zunehmender Laufzeit zu einem Alptraum entwickelt, ist wohl kaum überraschend. Hier schlägt der Film den Bogen zur Eröffnungssequenz und führt Bullet als Antagonisten ein, der mit allen Wassern gewaschen zu sein scheint. Bei der Stärke, die sowohl Ruffy als auch sein Feind vorweisen, ist es aber schon verwunderlich, dass der Kampf in einem Bruchteil des 102-minütigen Films entschieden wird – und das obwohl Bullet im wahrsten Sinne des Wortes schwere Geschütze ausfährt. Neben der brachialen Action spielt One Piece: Stampede mit den typischen Erzählmitteln des Franchises. So gibt es ein paar lustige Sprüche aufs Ohr, aber auch viele freundschaftliche Szenen zwischen Ruffy, Lysop, Zorro, Nami, Frankie und Co, die ans Fanherz gehen. In visueller Hinsicht bietet der Film den gewohnten Zeichenstil der Serie, der in Filmform aber stärkere Konturen aufweist, die hervorragend zum Gezeigten passen. Akustisch wird der Film mit bekannten Melodien und an einer Stelle sogar mit der allerersten Titelmelodie des Animes unterlegt. Sowohl bei den deutschen als auch bei den japanischen Synchronsprechern gibt es nichts zu beanstanden. Dafür fällt das Bonusmaterial sehr dürftig aus, denn im digitalen Bereich findet sich nichts. Physisch liegt der Verkaufsfassung immerhin ein gefaltetes Poster im horizontalen Format bei.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der Blu-ray-Fassung): One Piece: Stampede kann abwertend wohl als kleines Klassentreffen deklariert werden. So drängt der Film im Grunde einfach nur eine Vielzahl aus der Serie bekannten Piraten und Marine-Funktionäre auf einen kleinen Raum – und diese müssen dann irgendwie miteinander auskommen. Douglas Bullet erscheint als Gegenspieler womöglich als einer der gefährlichsten Antagonisten bisher, wird dafür aber umso schneller von Monkey D. Ruffy bekämpft. Definitiv hat der Film seine Höhepunkte. Vor allem das One Piece in so greifbare Nähe zu rücken, ist durchaus mutig. Genau in dieser Disziplin kann der Film auch glänzen. Es könnte als Geben und Nehmen betrachtet werden. Daher ist es auch schwierig, den Film als Teil der ganzen Erzählung zu sehen. So oder so gehört er nicht zum Kanon, aber durch den überladenen Inhalt ist er tatsächlich einer der schwächeren Teile der Filmreihe. Beinharte Fans von One Piece lassen sich davon nicht abschrecken.
Vielen Dank an Kazé Anime für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von One Piece: Stampede!