Neben den beiden großen Survival-Horror-Videospielreihen Resident Evil und Silent Hill gibt es meist nur eigenständige Titel des Genres, die oft in der Versenkung untergehen. Yomawari: Night Alone für die PlayStation Vita und den PC gehört zu diesen besonderen Videospielen.
In Yomawari: Night Alone schlüpfen wir in die Rolle eines kleinen Mädchens. Zu Beginn des Spiels gehen wir mit unserem Hund Poro spazieren. Der fröhliche Spaziergang wird ein paar Minuten später jedoch jäh unterbrochen. Was genau passiert, wollen wir aus Spoiler-Gründen gar nicht mal verraten. Fakt ist jedoch, dass das Verschwinden des Kläffers der Aufhänger für die düster gestaltete Handlung des Spiels ist. Als wir ohne den Vierbeiner nach Hause kommen, macht sich unsere ältere Schwester prompt auf die Suche nach ihm. Allerdings kommt auch sie nicht mehr nach Hause, weshalb wir wenig später selbst die Beine in die Hand nehmen müssen und durch die Straßen einer japanischen Kleinstadt streifen. Da die Sonne bereits untergegangen ist, sind auch keine Menschen in den Häusergassen unterwegs und selbst aus den Fenstern der Gebäude strahlt kein Licht. Einzig und allein Straßenlaternen beleuchten die Wege und das Flackern von Getränkeautomaten oder der schwache Kerzenschein von kleinen Jizō-Statuen am Straßenrand erhellen leicht die Umgebung. Immer wenn wir an einer Jizō-Statue vorbeikommen, können wir unser Spiel schnellspeichern, sofern wir eine Münze als Opfergabe für die Schutzgottheit der Kinder und Reisenden darbieten. Das sollten wir im Übrigen auch regelmäßig tun, denn jeder Bildschirmtod führt uns zur letzten Statue zurück.
Lauf Forrest, lauf!
Ausgelöst wird der Bildschirmtod durch Geisterwesen, die in den Straßen ihr Unwesen treiben. Zu sehen sind die Geister oft nicht, weshalb wir unbedingt darauf achten sollten, wie laut unser Herz schlägt. Je mehr Feinde in der Nähe sind, desto lauter schlägt das innere Organ und desto eher sollten wir vor ihnen weglaufen. Die Geister nehmen nämlich nur zu gerne die Verfolgung auf. Da wir direkt bei der ersten Berührung mit einem Gegner das Zeitliche segnen, sollten wir auch die Umgebung im Auge behalten. Gerne können die Geister uns nämlich einholen, sodass Büsche und ähnliche Objekte dazu genutzt werden können, um uns vor dem Bösen zu verstecken. Hinzukommt, dass wir in Yomawari: Night Alone zwar recht lange laufen können, doch sobald wir von Geistern verfolgt werden, sinkt unsere Ausdauer ins Bodenlose. Verteidigen können wir uns im Spiel übrigens nicht, denn das hat einen ganz einfachen Grund: Waffen existieren grundsätzlich nicht, sodass das Fliehen vor Gegnern der einzige Weg ist, aus der Situation zu entkommen. Immerhin kommen wir sehr früh im Spiel in den Besitz einer Taschenlampe, mit der wir die Gegner sehen können, sobald wir sie anleuchten. Dieses Spielprinzip wird sicherlich nicht jedem Fan des Survival-Horror-Genres gefallen, da die Branche diese Videospielgattung seit Resident Evil 4 von 2005 auf Action getrimmt hat.
Survival-Horror im Anime-Gewand
Obwohl der Titel nur in einer japanischen Kleinstadt spielt, bietet diese genügend Raum, um unterschiedliche Handlungsorte vorzustellen. So durchstreifen wir unter anderem ein Reisfeld, machen einen düsteren Wald unsicher, erkunden ein altes Fabrikgelände oder eine von einem riesigen Tausendfüßler bewachte Shōtengai. Unterwegs sammeln wir dutzende Sammelobjekte ein, die zum eigentlichen Beenden des Spiels allerdings nicht nötig sind. Sie motivieren uns trotzdem, jeden noch so weit entfernten Winkel der Spielwelt zu erkunden. Sämtliche Umgebungen der Welt sind in einem hübschen Anime-Look gestaltet. Hintergründe und Umgebungen sehen wirklich fantastisch aus! Einzig und allein das Charakterdesign hebt sich ein wenig davon ab und wirkt daher etwas unpassend. Dafür entschädigt der Einfall, auf Hintergrundmusik weitgehend zu verzichten. Musik ist tatsächlich nur in sehr wenigen Momenten zu hören, sodass sich die Atmosphäre voll und ganz auf die Geräuschkulisse verlässt. Unsere eigenen Schritte, das Summen von elektrischen Lichtquellen oder das Klingeln eines Münztelefons können in ihrer Kombination unser Mark zum Gefrieren bringen. Schade ist lediglich, dass nach nur sechs Stunden der Abspann über den Bildschirm flimmert. Anschließend dürfen wir nur noch die verbliebenen beziehungsweise übersehenen Sammelobjekte aufspüren.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der PlayStation-Vita-Fassung): Yomawari: Night Alone war in meinen Augen schon vor der Veröffentlichung ein recht exotischer Titel. Das Spiel hebt sich insofern von anderen Ablegern des Genres ab, indem es auf Kämpfe nahezu komplett verzichtet, sich vor allem auf kleine Schockmomente in verschiedenen Formen konzentriert und sich auf das Gefühl der Isolation verlässt. Wer das Spiel abends im Dunkeln angeht, wird sich an der einen oder anderen Stelle sicherlich sehr gruseln. Tagsüber wird sich dieser Effekt wohl kaum einstellen, weshalb ich unbedingt dazu raten möchte, Yomawari am besten mitten in der Nacht zu spielen. Fernab des Settings gibt es allerdings kaum Gründe, sich mit dem Spiel zu beschäftigen. Das Gameplay ist durchgehend sehr mau. Man läuft tatsächlich nur durch die Straßen und Gassen einer japanischen Kleinstadt und muss ständig irgendwelchen Geistern entkommen. Selbst die Sammelobjekte, die überall in der Stadt gefunden werden können, bieten in meinen Augen keinen spürbaren Mehrwert. Unverständlich ist auch die Preispolitik für das Spiel. Während es zum Release für den PC noch halbwegs faire zwanzig Euro kostete, schlägt dasselbe Spiel auf der PlayStation Vita mit dem doppelten Betrag zubuche. Wer nur ungern auf dem PC spielt, sollte mit dem Kauf also vielleicht noch etwas warten. Anime-Fans, die sich auf das zugegebenermaßen dünne Survival-Horror-Gameplay von Yomawari: Night Alone einlassen möchten, kommen dennoch sicher in beiden Versionen auf ihre Kosten.
Vielen Dank an NIS America für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Yomawari: Night Alone!