Review: Fallout 76

„I don’t want to set the world on fire“ ist ein Klassiker der Musikgeschichte und seit Fallout 3 in jedem Radio im Spiel zu hören. Doch mit Fallout 76 bekommen wir erstmals die Möglichkeit, die postapokalyptische Welt auch mit anderen Spielern brennen zu lassen.

Nach dem Erfolg von The Elder Scrolls Online und diversen Erweiterungen war es nur eine Frage der Zeit, bis Bethesda den Fans des Ödlandes ein Abenteuer spendiert, in denen sie gemeinsam mit ihren Freunden das Fallout-Universum erkunden können. Mit Fallout 76 ist es endlich soweit und wir können uns ebenfalls gemeinsam auf den Weg in das zerstörte West Virginia machen, um erneut Jagd auf diverse mutierte Bestien zu machen, Supermutanten auszulöschen und Quest über Quest zu erledigen. Dabei spielt Fallout 76 viele Jahre vor den Ereignissen der Hauptreihe und wir sind einer von vielen Überlebenden der Vault 76, einem Schutzbunker, der frühzeitig nach der nuklearen Katastrophe wieder geöffnet werden sollte um die Lage an der Oberfläche einzuschätzen. Ganze 25 Jahre nach dem atomaren Krieg öffnen sich die Tore des Bunkers und wir werden in das Ödland geschmissen, um die Oberfläche zu erkunden. So rigoros der Einstieg auch klingen mag, das Spiel wirft uns unmittelbar nach einem Rundgang durch den Bunker in die Welt ohne dabei überhaupt eine Geschichte zu erzählen oder dem Charakter und somit uns eine Intention zu geben, was von uns auf der Oberfläche erwartet wird. Optisch fällt sofort auf, dass wir uns in einem Fallout-Spiel befinden, vollgepackt mit trostloser Atmosphäre, einsamer Stille und zahlreicher Gefahren an jede Ecke.

Krieg bleibt immer gleich

Krieg ist das einzige, das sich niemals ändern wird, wie es wohl zitiert in der Fallout-Reihe heißt. Diesem Grundsatz folgend, werden wir in eine Welt gestoßen, die nur aus Konflikten besteht. Die Erzählweise hat sich in Fallout 76 jedoch drastisch geändert. Statt hier und da mit Nicht-Spieler-Charakteren zu kommunizieren, treffen wir an der Oberfläche auf keine einzige lebende Person, was dafür sorgt, dass wir das Ödland umso verlassener empfinden. Die Missionen bekommen wir entweder durch die umherstreifenden Roboter oder durch Audiotapes, die uns eine Geschichte erzählen, der wir auf den Grund gehen können. Dieser Umstand lässt die Welt düsterer und gruseliger wirken als dies noch in den Vorgängern der Fall war – jedoch für einen hohen Preis. Das Fehlen von menschlichen Charakteren sorgt dafür, dass wir uns mit keiner Person oder Fraktion identifizieren können und die erzählten Geschichten nur blasse Erinnerungen zu sein scheinen, die keine wirkliche Relevanz mehr haben, außer uns Loot einzubringen. Ein schöner Gegensatz hingegen ist, dass Tierwelt, Mutanten, Roboter und Ghule durchaus eine sehr lebendige Welt vermitteln und sich gegenseitig bekämpfen. Das ist etwas, das auch in den anderen Serienteilen immer für ein amüsantes Umfeld gesorgt hat. Es bleibt jedoch ein fader Beigeschmack, da The Elder Scrolls Online eine Welt besser erklärte.

Wo kein Leben ist, soll welches geschaffen werden

Das Fehlen der Nicht-Spieler-Charaktere soll durch die Interaktion echter Menschen ergänzt werden. Wir haben die Möglichkeit, uns in Gruppen zu organisieren und dem Quest gemeinsam nachzugehen. Auch können wir andere Spieler bekämpfen, jedoch nur bedingt. Wollen wir eine Gruppe von Spielern überfallen und fangen an, auf diese zu schießen, bekommt die gegnerische Gruppe nur einen minimalen Schaden durch unsere Aktionen. Erst wenn unsere Gegner das Feuer eröffnen, wird der reale Schaden unserer Waffen übertragen und wir können Feinde effektiv attackieren. Diese Schutzfunktion soll dafür sorgen, dass Spieler in Gruppen oder mit einem höheren Level nicht das Ödland dominieren und allein umherziehende Spieler ein leicht gefundenes Fressen sind. Diese Argumentation ist verständlich, sorgt aber folgend dazu, dass keine wirklich feindliche Interaktion mit anderen Spielern entsteht und quasi von anderen Spielern keine Gefahr auszugehen ist. Somit ist das einzige was bleibt der Handel mit anderen Spielern, was sich aber im Spielverlauf als nichtig herausstellt. Die Community hingegen nimmt einerseits das Fehlen der Nicht-Spieler-Charaktere wütend auf, andererseits bietet dieser Umstand eine gewisse Kreativität, so dass sich Spieler selbst als Bossgegner vermarkten und mit Belohnungen locken, falls andere Spieler die Gruppe besiegen.

Abgespeckt, aber dennoch Fallout

Um ein breites Publikum das Spielen zu ermöglichen, wurden in puncto Grafik einige Abstriche gemacht. Das Spiel wirkt nicht so schön und farbenfroh wie sein Vorgänger, behält aber eine einzigartige Atmosphäre bei und ist, trotz an einigen Stellen matschiger Texturen, mit einer düsteren Umgebung anschaulich gestaltet. Zusätzlich wurde die Menüführung vereinfacht und verschiedene Elemente wie der automatische Zielmodus abgeändert, um einen flüssigeren Spielfluss zu gewährleisten. Auch wurde die Fähigkeitspalette, die wir im Spiel durch das Aufstufen unseres Charakters erweitern können, angepasst. So lassen sich je nach investiertem Punkt in eine Fähigkeit unterschiedliche Karten freischalten, die unserem Charakter weitere Fähigkeiten spendieren. Diese Perks ermöglichen unserem Charakter somit eine Art Individualisierung, da wir so beispielsweise im Team mehr Erfahrungspunkte erhalten, mehr Sprengstoffschaden anrichten oder eine erhöhte Effizienz von Heilmitteln erreichen. Eine weitere Besonderheit sind die Mutationen, die unseren Charakter befallen können. Diese können sowohl negative als auch positive Effekte haben. Die Vogelknochenmutation sorgt zum Beispiel dafür, dass wir schwächer sind, uns aber schneller fortbewegen können und noch dazu weniger Schaden durch Stürze nehmen. All diese Kombinationsmöglichkeiten schaffen einen einzigartigen Charakter, der ganz auf unseren Spielstil zugeschnitten ist.

Viel zu entdecken, weniger Geschichte

In der Welt von Fallout gibt es eine Menge an skurrilen, witzigen und dubiosen Elementen zu entdecken, was gerade mit Freunden eine Menge Spaß birgt. Zusätzlich können wir auch zusammen Basen anderer Spieler einnehmen, Rohstoffe und Materialien in eigenen Stützpunkten fördern und letztlich auf unseren Entdeckungsreisen Atomcodes einsammeln, um selbst eine Nuklearbombe auf ein gewünschtes Ziel zu schmeißen. Um selbst an eine Atombombe zu kommen, müssen allerdings eine Menge Hürden gemeistert werden, die sich jedoch lohnen: Mit dieser Waffe ist es uns möglich, andere Spieler zu bedrohen und gleich ein ganzes Gebiet auf der Karte über einen längeren Zeitraum atomar zu verseuchen. Ohne Nicht-Spieler-Charaktere bleiben diese Auswirkungen aber nur marginal und bringen keinen wirklichen Mehrwert. Neben den Quests, die uns von Audiotape zu Audiotape führen, bleibt nur das Sammeln von Schrott und sonstigen Materialien, um Waffen herzustellen, seine eigene Basis aufzurüsten und letztlich um überflüssigen Schrott in wertvollere Materialien umzuwandeln. Auch wenn das Ödland mit einer wunderbaren Atmosphäre auftrumpft, so bleibt spätestens nach ein paar Wochen ein großer Negativpunkt, genauer gesagt die Motivation, tiefer in die Welt von Fallout 76 einzutauchen. Das ist durchaus schade, denn das Ödland hat einige Überraschungen und bietet viel Potenzial, das Bethesda nicht durchweg genutzt hat.

Geschrieben von Axel Gutsmiedl

Axels Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Atmosphärisch ist Fallout 76 seinen Vorgängern ebenbürtig und auch die Steuerung und Rollenspielelemente sind gewohntes Terrain für Serienfans. Leider fehlt es dem Spiel an Langzeitmotivation, was klar darauf zurückzuführen ist, dass der trostlosen Welt die Nicht-Spieler-Charaktere fehlen, die in den vorherigen Spielen einen großen Teil des Ödlands markiert haben. Eine solche Spielfigur und seine Charakterzüge sorgt dafür, ob ich eine Fraktion als interessant wahrnehme und ich mein Herzblut einer Aufgabe widmen kann. Genau hier liegt der Hund begraben: Zwar bekomme ich durch Audiotapes bestimmte Aufgaben von diversen Fraktionen, die Identifizierung mit einer solchen will jedoch nicht aufkommen, worunter der Spielspaß und die Motivation am Ende massiv leiden. Zwar gibt es aus der Community einige Ansätze, diese Hürden zu überwinden, doch bleibt diese in ihren Möglichkeiten weit zurück, zumal diese ohnehin nicht die Aufgabe erfüllen sollte, die Lücke zu schließen. Auch die von Bethesda gewünschte Interaktion zwischen den Spielern bleibt komplett außen vor. Ich ziehe höchstens mit Freunden durch das Ödland, sehe aber keinen Vorteil darin, mit fremden Spielern in Kontakt zu treten und eine Gefahr sind diese ebenfalls nicht. Es bleibt noch zu hoffen, dass sich das Spiel mit den Jahren weiter entwickelt, so wie es mit The Elder Scrolls Online immer noch der Fall ist.

Vielen Dank an Bethesda für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Fallout 76!

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