Review: Izetta, die letzte Hexe (Vol. 1)

Zwischen Oktober und Dezember 2016 flimmerte die zwölfteilige Anime-Serie Izetta, die letzte Hexe auf dem Bezahlfernsehsender Anime Theater X über die Fernsehbildschirme Japans. Fast genau vier Jahre später hat sich Kazé Anime dazu entschlossen, die Serie von Fujimori Masaya hierzulande – aufgeteilt auf zwei Episodenpakete – zu veröffentlichen.

Alternative Geschichte ist ein Szenario, das schon viele Romane, Filme und Serien inspiriert hat. Während das prägnanteste Beispiel wohl The Man in the High Castle respektive Das Orakel vom Berge sein dürfte, tauchen auch mehr und mehr Anime auf, die sich der Thematik annehmen. Beispielsweise beschäftigt sich die Anime-Serie Saga of Tanya the Evil mit einer fiktiven Version des Ersten Weltkriegs. Izetta, die letzte Hexe konzentriert sich stattdessen auf die noch sehr viel düstere Zeit des Zweiten Weltkriegs, verpasst ihr jedoch einige fiktive und gar fantasiereiche Merkmale. Zu Beginn der Handlung befindet sich Protagonistin Ortfiné „Finé“ Fredericka von Eylstadt zusammen mit ihren Begleitern Hermann und Tobias auf einer Reise durch den neutralen Staat Westria. Dort wird sie allerdings vom Feind aufgespürt. Die Germanen versuchen alles in ihrer Macht stehende, um die Tochter des Großherzogs in ihre Hände zu bekommen. Um einen Einmarsch des Feindes zu verhindern, will sie sich in einem Opernhaus mit Lord Redford, dem Außenminister von Britannia kurzschließen, um Beistand von den Alliierten zu erhalten. Allerdings muss dieser ihr die Hilfe verwehren, denn während der Unterredung ist es den Germanen gelungen, ins Großherzogtum Eylstadt einzumarschieren. Wenige Sekunden später wird Finé von den Germanen verhaftet und in ein Flugzeug gezerrt.

Parallelen zur Realität

Unerwartet erhält die Adlige Hilfe von einer Freundin aus Kindheitstagen, der titelgebenden Hexe Izetta. Diese wurde ebenfalls vom Kaiserreich Germania gefangen genommen und in einer Kapsel aufbewahrt, die sich während des Flugs allerdings öffnet. Mehr wollen wir an dieser Stelle nicht verraten, denn die Freundschaft der beiden ist einer der zentralen Punkte der Handlung. Über die Hintergründe wird der Zuschauer peu à peu mittels Rückblenden in die Kindheit der beiden Figuren aufgeklärt. Es entwickelt sich darüber hinaus eine spannende Story, die sich um Flucht, Vergangenheitsbewältigung, Zusammenhalt, Freundschaft und dem Kampf gegen die Germanen dreht. Hinzu kommt, dass die Geschichte auch starke politische Züge annimmt,  in der die einzelnen Charaktere verwickelt sind und bestimmte Funktionen im Machtgefüge einnehmen. Ohne zu spoilern sei gesagt, dass sowohl Finé als auch Izetta zwei tragende Rollen in diesem Krieg einnehmen. Ähnlich wie das Videospiel Valkyria Chronicles 4 zieht Izetta, die letzte Hexe außerdem viele Parallelen zur Realität. Das beginnt bereits bei historischen Daten, denn das Kaiserreich Germania hat ähnlich wie das Deutsche Reich am 1. September 1939 seinen Nachbarstaat überfallen und daran anknüpfend in den folgenden Monaten noch weitere Blitzkriege gegen die umliegenden Länder geführt und auch gewonnen.

Erschreckendes Abbild des Krieges

Alle fiktiven Staaten, die in Izetta, die letzte Hexe erwähnt werden, können realen Vorbildern zugeordnet werden. Zum Beispiel entspricht Eylstadt dem Fürstentum Liechtenstein, Livonia ist wiederum nur eine andere Bezeichnung für Polen. Britannia und Germania dürfen wohl selbsterklärend sein. Weitere Einflüsse haben Gepflogenheiten wie der Gruß der Germanen, der dem der Nationalsozialisten ähnlich ist. An der Skyline von Neu-Berlin, der Hauptstadt von Germania, ist zudem ein Gebäude zu sehen, das der nie realisierten Großen Halle von Albert Speer ähnelt. Wer sich mit der Abfolge der Ereignisse auskennt und zwischen Fiktion und Wirklichkeit bei diesem Thema unterscheiden kann, wird noch besser in die Geschichte von Izetta, die letzte Hexe eintauchen. Stilistisch zeichnet die Serie ein nachvollziehbares Bild vom Grauen des Krieges. Panzereinsatz, durch die Luft schnellende Gewehrschüsse und der daraus resultierender Rauch schreckt ab. Hinzu kommt, dass viele Farben sehr blass sind und in manchen Szenen sogar bewusst ein Sepiafilter zum Einsatz kommt. Die detailreichen und erwachsen gezeichneten Charaktermodelle stechen bei all dem besonders heraus, da sie sehr flüssig animiert sind und besonders in actionreichen Szenen eine wahre Bereicherung für die regelrecht paralysierende Optik im bildschirmfüllenden 16:9-Format in der Auflösung von 1080p sind.

Verschenktes Potenzial beim Bonusmaterial

Akustisch wird Izetta, die letzte Hexe mit der passenden Musik unterlegt. Während in ruhigen Szenen dezente Töne angeschlagen werden, kommt es in den hitzigen und spannenden Momenten im Tonformat Dolby Digital 2.0 unter anderem zum Einsatz von Gesang, der vor allem die dynamischen Kriegsereignisse regelrecht anheizt. Bei den Synchronsprechern gibt es Talente wie Hayami Saori oder Akaneya Himika zu hören, die Finé und Izetta ihre Stimmen leihen. In der deutschen Fassung werden die beiden von Lea Kalbhenn und Eleni Möller gesprochen. Digitales Bonusmaterial sucht der Zuschauer auf der Blu-ray Disc nahezu vergeblich. Es gibt hier lediglich ein Clean Opening und ein Clean Ending, das sich der Zuschauer anschauen kann. Interviews mit dem Regisseur und den verantwortlichen Köpfen des Projekts gibt es nicht, was ein wenig schade ist. Hier hätten die Verantwortlichen bei Animationsstudio Ajiadō Animation Works durchaus Stellung beziehen können, warum sie sich für das Setting entschieden hat und welche Parallelen sie zur Realität gezogen haben, auf die der Zuschauer vielleicht nicht sofort aufmerksam wird. Dafür entschädigt laut den Herstellerangaben auf der Website ein 56-seitiges Booklet, das für diesen Test aber nicht zur Verfügung stand. Es ist jedoch von der gewohnten Qualität des Publishers auszugehen. Abgesehen von den dürren Boni überzeugt Izetta, die letzte Hexe aber auf ganzer Linie, denn Story, Charaktere und Artstyle ergeben ein stimmiges und erinnerungswürdiges Gesamtbild.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der Blu-ray-Fassung): Izetta, die letzte Hexe gehört definitiv zu den Anime-Serien, denen einfach zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Dabei fasziniert das Werk von Regisseur Fujimori Masaya mit einer düsteren Story inklusive einiger Wendungen und Überraschungen so gut, dass es sich nicht vor anderen Werken wie Saga of Tanya the Evil verstecken muss. Hinzu kommen detailreiche und vor allem erwachsene Charaktere, die sich in einer vom Krieg zerrissenen Welt behaupten müssen. Dabei vermischt die Serie die Realität mit der Fiktion so gekonnt, dass das Ergebnis nicht nur nachvollziehbar, sondern vor allem glaubhaft ist. Wer sich mit den letzten Jahren des Deutschen Reichs auskennt, wird hier viele Ansatzpunkte finden, die Animationsstudio Ajiadō Animation Works verarbeitet und mit einem gesunden Fantasy-Anteil aufgemöbelt hat. Auch optisch und akustisch mischt die Serie in der oberen Liga mit. Lediglich das Bonusmaterial der ersten Volume fällt etwas zu karg aus. Bleibt zu hoffen, dass die zweite Ausgabe der Serie zum einen das besser macht und zum anderen die Geschichte stringent zu Ende führt, da Izetta, die letzte Hexe bereits nach zwölf Episoden beendet und seither auch nicht fortgeführt wurde.

Vielen Dank an Kazé Anime für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Izetta, die letzte Hexe (Vol. 1)!

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