Wikinger und die nordische Mythologie liegen seit einigen Jahren total im Trend. Dafür sind Fernsehserien wie Vikings oder Spiele wie God of War aus dem Jahr 2018 verantwortlich. Im Anime-Sektor will Studio Wit mit Vinland Saga ein Stück vom Kuchen abbekommen.
Wirklich neu ist die Anime-Serie nicht. Einerseits lief die erste Staffel von Vinland Saga 2019 bereits im japanischen Fernsehen. Hierzulande wurde die Serie jedoch erst im April 2022 auf Blu-ray Disc veröffentlicht. Andererseits ist die Manga-Vorlage noch älter und nahm in Japan den Trend zu Wikingern und der nordischen Mythologie im Jahr 2005 sogar vorweg. Anfang 2023 hat Manga-Zeichner Yukimura Makoto seine Geschichte längst noch nicht abgeschlossen. Insgesamt 26 Bände hat Yukimura bereits zusammengestellt. Es bleiben also wirklich genug Abenteuer, die im Rahmen der Anime-Serie verarbeitet werden können. Yukimura verbindet in seinem Werk historische Fakten, Geschichten historischer Persönlichkeiten und fiktive Gedanken, um die Handlung von Vinland Saga zu bereichern, aber ohne dass dies aufgesetzt wirkt. In der Eröffnungssequenz erhält der Zuschauer einen kleinen Einblick in die Schlacht von Hjørungavåg, die vermutlich um 986 unserer Zeitrechnung stattgefunden hat. Anhand dieses Ereignisses wird dem Zuschauer in den ersten Minuten bewusst gemacht, dass Vinland Saga auf einer visuellen Ebene ungeschönt dargestellt wird. Nach dem Intro wagt die Geschichte den Sprung nach Island im Jahr 1002, wo die Ereignisse erst richtig ins Rollen kommen. Krieg zieht auf am Horizont und wirft die Protagonisten mitten in diesen hinein.
Krieg und Frieden
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der sechsjährige Thorfinn, der zusammen mit seinem gutmütigen Vater Thors, seiner stets hinter seinem Vater stehenden Mutter Helga und seiner älteren Schwester Ylfa in einem Dorf lebt, das von der Außenwelt relativ abgeschnitten ist. Vom Abenteurer Leif Eriksson erfährt Thorfinn von einem ominösen Ort namens Vinland im Westen der Welt. Viele halten Leif für einen Spinner und auch Thorfinn beginnt an den vielen Erzählungen zu zweifeln, aber als sein Vater einem entflohenen Sklaven Hoffnung auf das Land im Westen macht, verschwinden diese Zweifel allmählich. Lange über Vinland kann Thorfinn aber nicht nachdenken, denn als Thors’ alter Kriegskumpan Floki mit einem Schiff am Ufer vor dem Dorf auftaucht, verändert sich die Welt um ihn herum. Sein Vater muss in den Krieg ziehen und die mutigsten Männer seines Dorfes sollen ihm folgen. Während Thors genau weiß, was auf ihn zukommt, ahnen die Männer nicht, was Krieg tatsächlich bedeutet. So geht Vinland Saga bewusst der Romantisierung des Kriegsgeschehens aus dem Weg und trifft in einer Zeit, in der es umso wichtiger ist, zu zeigen, dass Krieg nur zu Leid führt, eine sehr wichtige Botschaft. Damit die Geschichte spannend bleibt, schleicht sich Thorfinn mit auf das auslaufende Schiff und legt damit quasi den Grundstein seiner eigenen Legende.
Erwachsene und ungeschönte Darstellung
Dieser Umstand macht Vinland Saga aber keineswegs zu einem Aufguss von Wickie und die starken Männer aus dem Jahr 1973. Auf unverfälschten Humor oder saloppe Abenteuer verzichtet die Serie von Animationsstudio Wit weitestgehend. Hinzu kommen unterschiedliche Charakterkonstellationen, durch die die Story an weiteren Facetten gewinnt. So plant Floki insgeheim die Ermordung von Thors, was die düstere Thematik unterstreicht. Visuell setzt die Serie passend dazu auf einen erwachsenen Zeichenstil. Auch die Synchronsprecher sind, vor allem in der deutschen Synchronisation, gut gewählt. Das digitale Bonusmaterial fällt dafür sehr dünn aus. Bei der ersten Volume von Vinland Saga liegen nur das erste Clean Opening und das erste Clean Ending auf der Disc vor. Ein Interview mit dem Manga-Zeichner oder eine Diskussion zum Vergleich historischer Hintergründe mit der Darstellung innerhalb der Serie wäre für das Debüt angemessen gewesen. In physischer Hinsicht sollen ein 24-seitiges Booklet, ein Poster, ein Standee, ein Button und Sticker entschädigen. Diese Materialien standen für unsere Rezension allerdings nicht zur Verfügung. Es ist jedoch von der üblichen und meist hohen Qualität auszugehen, die bei anderen Kazé-Anime-Titeln vorliegen. Wer sich für nordische Geschichte und Wikinger interessiert, sollte bei Vinland Saga definitiv zuschlagen!
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der Blu-ray-Fassung): Vinland Saga erzählt eine spannende wie wendungsreiche Geschichte über Wikinger, Krieg und ein ominöses Land im Westen. Dazu gesellen sich gut geschriebene Charaktere und Dialoge, die jede einzelne Minute der Anime-Serie sehenswert machen. Historische Fakten und fiktive Gedanken ergänzen sich wunderbar. Ungeschönt ist auch die Darstellung. Nicht selten fließt Blut und das zugefügte Leid zeigt, dass Krieg nur dazu und zu nichts anderem führt. Trotzdem soll die Serie auch unterhalten. Dies gelingt ihr mit actionreichen Kämpfen, Erzählungen von geheimnisvollen Orten und Überraschungen, die sich positiv und negativ auf das Leben der Protagonisten und Antagonisten auswirken. Nach dem Ansehen der ersten sechs Episoden, die in der Eröffnungsausgabe der Reihe enthalten sind, will der Zuschauer unbedingt mehr erleben. Damit bleibt es spannend, wie und vor allem mit welchen Mitteln sich die Anime-Serie entwickeln wird.
Vielen Dank an Kazé Anime für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Vinland Saga (Vol. 1)!