Review: Alice in Borderland (Doppelband 1)

Wer die japanische Manga-Szene in den frühen 2010er-Jahren verfolgt hat, wird möglicherweise über die Reihe Alice in Borderland von Manga-Zeichner Asō Haro gestolpert sein. Alle anderen dürften spätestens seit der gleichnamigen Fernsehserie, die im Jahr 2020 ihr Debüt auf Netflix feierte, vom Franchise gehört haben. Unter dem Label Hayabusa veröffentlichte der hiesige Verlag Carlsen Manga im Januar 2023 den ersten Band von Asōs Werk in einer deutschen Doppelausgabe. Inhaltlich beschäftigt sich die Manga-Reihe mit dem Oberschüler Arisu Ryōhei, der mit seinem Leben nichts anzufangen weiß. Er kann dem Druck der Gesellschaft, der auch in seiner Familie deutlich zu spüren ist, nicht standhalten. So hat er keinerlei Zukunftspläne und versucht der Realität zu entkommen. Mit dieser eskapistischen Einstellung steht er in Alice in Borderland nicht alleine da. Auch sein Freund Segawa Chōta muss seinen Platz in der Gesellschaft noch finden. Zudem belastet es ihn, dass er noch keine Partnerin gefunden hat. Er empfindet sich selbst sogar als minderwertig und nutzlos. Ihr gemeinsamer Freund Karube Daikichi arbeitet hingegen in einer Kneipe. Des Weiteren spart er sein Einkommen für eine Schafsfarm in Australien. Einen Schulabschluss hat er jedoch nicht gemacht und der Besuch einer Universität bleibt ihm daher verwehrt. Ihre Situation ist fast aussichtslos – und genau dies wird den drei Figuren in Alice in Borderland nach und nach zum Verhängnis.

Spiele auf Leben und Tod

Als das Trio die Nacht durchzecht und um vier Uhr morgens auf dem Heimweg ist, wird es Zeuge eines Feuerwerks. Wenig später sieht Japans Hauptstadt Tōkyō, die in Alice in Borderland als Handlungsort herhält, verändert aus. Die Natur erobert die Welt zurück, von Menschen fehlt jede Spur und Nahrungsmittel in den Supermärkten scheinen allesamt verdorben zu sein. Lediglich bei einem Schrein scheint es genießbares Essen zu geben, das für sie hergerichtet wurde. Kaum haben sie das Schreingelände betreten, hindern Laserstrahlen sie daran, es wieder zu verlassen. Um zu überleben, müssen sie unter Zeitdruck an einem Spiel teilnehmen und verschiedene Aufgaben lösen. Es ist ein Spiel auf Leben und Tod – und nur jene, die regelmäßig an Spielen teilnehmen, können ihr Visum im titelgebenden Borderland verlängern. Mit der Zeit treffen die Freunde im Borderland auf weitere Teilnehmer, die ihnen mal hilfreich und mal abweisend gegenüberstehen. So erfährt der Leser zusammen mit den Protagonisten peu à peu mehr über diese ominöse Welt, die immer mehr Fragen aufwirft. Kenner der Fernsehserie stoßen beim Leser auf ein paar Parallelen, die sich aber vor allem in der ersten Hälfte des ersten Bandes in Grenzen halten. Auch die unterschiedlichen Entstehungszeitpunkte spielen hier eine tragende, wenn auch nicht entscheidende Rolle. So oder so gehört Alice in Borderland zu den Werken, die Fans von kreativen wie kranken Ideen verschlingen werden.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der ersten Auflage): Wer in den letzten Jahren nicht gerade unter einem Stein gelebt hat, wird Alice in Borderland spätestens durch die Netflix-Ausstrahlung kennengelernt haben. Beflügelt durch den Erfolg der japanischen Fernsehserie ist es gar nicht verwunderlich, dass sich früher oder später ein Verlag der Manga-Vorlage annehmen musste. Der erste Band funktioniert als wunderbare Einleitung, denn er nimmt sich in seiner Erzählstruktur zu Beginn und immer wieder zwischendurch die Zeit, die Charaktere ausgiebig vorzustellen. Selbst Nebenfiguren, die im Borderland zwangsweise in den Spielen das Zeitliche segnen können, haben ihre eigenen Biografien. Direkt im ersten Doppelband müssen die Protagonisten an besagten Spielen teilnehmen, um ihr Überleben zu sichern. Die Ideen dabei sind kreativ und krank zugleich, unterhalten aber gerade wegen der thematisch behandelten Ausweglosigkeit und dem damit einhergehenden Eskapismus enorm. Manga-Leser, die sich gerne in dystopisch abgedrehten Welten bewegen, kommen um Alice in Borderland von Asō Haro nicht herum.

Vielen Dank an Hayabusa für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Alice in Borderland (Doppelband 1)!

Abbildungen: IMAWA NO KUNI NO ALICE © 2011 Haro ASO/ SHOGAKUKAN

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