Wenn ein Firmenmaskottchen wie Super Mario ein Unternehmen bereits über drei Jahrzehnte begleitet, dann ist es nur logisch, nachvollziehbar und gerecht, dieser Figur ein ganz besonderes Werk zu widmen. Zu diesem Anlass wurde bereits im Jahr 2015 in Japan vom Shōgakukan-Verlag eine Enzyklopädie veröffentlicht, die das digitale Leben des Klempners beziehungsweise Allround-Talentes auf 260 Seiten würdigte. Rund zwei Jahre später erschien 2017 schließlich auch die vorliegende deutsche Ausgabe. Direkt fällt die hochwertige Verarbeitung des Werkes aus. Sämtliche 260 Seiten, die in ein Deckenband gebunden sind, sind reichlich bebildert und mit sehr schönen und kräftigen Farben bedruckt. Jede einzelne Seite weist zudem eine ordentliche Dicke auf, die das Lesen und vor allem das Umblättern in der Super Mario Encyclopedia sehr angenehm gestaltet. Die Originaltexte des Werkes stammen unter anderem von Sakai Kazuya, Fukuda Junko und Takayama Kunio, die deutsche Übersetzung erfolgte durch Yamada Hirofumi, während die Redaktion Sabine Scholz und Benjamin Spinrath leiteten. Grundsätzlich sind sämtliche deutschen Texte gut und flüssig zu lesen, doch haben sich ein paar entscheidende Fehler eingeschlichen, auf die später kurz eingegangen wird.
Fokus aufs Wesentliche
Wer sich mit der Geschichte von Nintendo schon einmal beschäftigt hat, dem wird der Titel des Nachschlagewerks ein wenig seltsam vorkommen – schließlich war Super Marios erster Auftritt schon im Jahr 1981 und zwar im Arcade-Automatenspiel Donkey Kong, wenn auch noch unter dem Pseudonym Jumpman. Inhaltlich beschäftigt sich die Enzyklopädie, nach einer kurzen Einleitung von Tezuka Takashi und einer Vorstellung von Super Mario Maker, fast ausschließlich mit den Auftritten des Klempners in den Jump ’n’ Runs der Hauptreihe. Chronologisch werden die wichtigsten Super-Mario-Abenteuer der Reihe nach abgearbeitet, beginnend mit Super Mario Bros. von 1985 bis hin zu Super Mario 3D World aus dem Jahr 2013. Die japanische Veröffentlichungshistorie ist die Grundlage dieser Übersicht, sodass Titel wie Super Mario Bros. USA entsprechend nicht als Super Mario Bros. 2 aufgeführt werden. Andere Titel wie Wario Land: Super Mario Land 3 und Super Mario World 2: Yoshi’s Island werden ignoriert, obwohl sie (zumindest aufgrund ihrer Titel) zur Hauptreihe gezählt werden. Alle anderen Titel, in denen der schnauzbärtige Klempner seinen Auftritt hatte, werden in einer separaten Liste aufgeführt. Dazu zählen sämtliche Super-Mario-Rollenspiele, die theoretisch ein eigenes und dazu auch noch sehr umfangreiches Kapitel hätten füllen können.
Stringenter Aufbau
Da das Nachschlagewerk ursprünglich im Jahr 2015 erschienen ist und so übernommen wurde, ist es verständlich, dass Titel wie Super Mario Odyssey, also Spiele, die danach erschienen sind, auch nicht in der deutschen Fassung auftauchen. Jede Übersicht einer Videospielvorstellung beginnt mit einer Einleitung. Hintergrundinformationen und ausgewählte Fakten fallen hier zum jeweiligen Spiel. Daraufhin folgt sowohl eine Übersicht zu den Auftritten der verschiedenen Protagonisten und Antagonisten, als auch eine ausführliche Vorstellung zu allen Gegenständen im Spiel. Zu jeder Übersicht gehört auch eine Zusammenfassung sämtlicher Levels beziehungsweise Aufgaben, die in den Spielen erfüllt werden müssen. Jedes Level beziehungsweise jede Aufgabe beschränkt sich dabei jedoch auf einen Bildschirmausschnitt und einen kurzen Text. Wirklich wertvoll sind diese Texte nur selten, da die Inhalte alternierend Informationen zur Spielwelt oder Tipps zum Lösen des Spielabschnitts geben. Letzteres ist für eine Enzyklopädie eher ungeeignet. Immerhin runden Zusatzinformationen die einzelnen Ausführungen genauso gut ab, wie seltene Kolumnen, die zwischen manchen Spielvorstellungen einfach eingeschoben werden. Die Einordnung dieser halbwegs interessanten Kolumnen erfolgte leider recht willkürlich und passt nicht zum zuvor und danach vorgestellten Spiel.
Kleinere Unklarheiten
Unbedingt zu erwähnen ist jedoch, dass jedes Spiel und jede Kolumne mit wirklich hübschen Artworks vorgestellt werden, die zum Teil auch aus dieser Zeit stammen und das Originalkonzept darstellen. Sprachstilistisch richtet sich das sehr populärkulturelle Werk vor allem an eine junge Zielgruppe, da die Leser in der zweiten Person Plural angesprochen werden. Problematisch ist die verwendete Umschrift japanischer Begriffe, denn zum einen wird die weltweit meist verbreitete Hepburn-Umschrift gänzlich ignoriert und zum anderen werden verschiedene Umschriften benutzt (Osaka statt Ōsaka, Yume Koujou statt Yume Kōjō). Zu guter Letzt haben sich noch ein paar Fehler eingeschlichen, die vor allem vor dem Hintergrund, dass es sich hierbei um ein offiziell lizenziertes Nintendo-Produkt handelt, mehr als ärgerlich sind. Tanuki werden als Waschbären, statt korrekt übersetzt als Marderhunde, bezeichnet und offizielle (!) Fachtermini wie Game Boy werden falsch geschrieben (Gameboy). Da umfangreiche Register fehlen, erschwert die sonst durchdachte Enzyklopädie so die Suche nach einzelnen Begriffen erheblich. Dennoch blättert man, zumindest als ein Super-Mario-Fan, immer mal wieder gerne durch das Buch – allerdings nicht aus dem Grund, wirklich etwas nachzuschlagen, sondern viel eher, um eine wunderbare Zeitreise in die Vergangenheit zu machen.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der ersten Auflage): Schon seit meiner Kindheit begleitet mich der schnauzbärtige Klempner aus dem Hause Nintendo in meiner Laufbahn als Videospieler. In erster Linie ist die vorliegende Enzyklopädie, die rein populärkulturell gestaltet ist, für mich eine Möglichkeit, vom Alltag abzuschalten, in Erinnerungen zu schwelgen und vergangene Abenteuer auf Super Nintendo, GameCube oder Wii zu rekapitulieren. Beinharte Super-Mario-Fans werden in diesem Nachschlagewerk nicht sehr viele neue Fakten oder Informationen aufklauben können, dazu hält sich das offiziell von Nintendo lizenzierte Produkt viel zu sehr zurück. Dementsprechend werden auch sämtliche Werke glorifiziert. Eine wertneutrale Haltung ist meiner Meinung nach in solch einem Nachschlagewerk, selbst wenn es vom Publisher unterstützt wird, wesentlich angebrachter. Wer wie ich ein Fan des Klempners ist, sich nicht von Selbstbeweihräucherung, kleineren Fehlern bei der Verwendung von Fachtermini und japanischen Begriffen und nicht immer wertvollen Informationen abschrecken lässt, kommt um die Super Mario Encyclopedia definitiv nicht herum.
Vielen Dank an Tokyopop für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Super Mario Encyclopedia – Die ersten 30 Jahre (1985 – 2015)!