2013 veröffentlichte Nintendo Pikmin 3 für die Wii U. Es folgten mehrere kostenpflichtige Download-Pakete, die das Hauptspiel erweiterten. Mit Pikmin 3 Deluxe folgte im Oktober 2020 ein Komplettpaket mit kleineren Neuerungen. Ein Upgrade für die Wii-U-Fassung bleibt Nintendo den Fans aber schuldig. Fragt sich, ob diese bei Pikmin 3 Deluxe zuschlagen sollten.
Auf dem fiktiven Planeten Koppai sind die Nahrungsressourcen ausgeschöpft. Bevor das Volk verhungert, müssen weit entfernte Planeten erschlossen werden, um dort den Nachschub zu sichern. Aus keinem anderen Grund entsendet die Regierung von Koppai mehrere Sonden ins Weltall. Die Scans der auserkorenen Planeten bleiben weitgehend erfolglos, doch dann schlägt der Radar bei PNF-404 aus. Wenig später werden die drei Astronauten Alph, Brittany und Charlie ausgesandt, um den Planeten zu untersuchen. Wie das beim Auftakt von derlei Weltraummissionen in Videospielen so ist, geht hierbei natürlich einiges schief. Beim Eintritt in die Atmosphäre wird das Trio aus dem Raumschiff geschleudert und ebenso voneinander getrennt. Während sich Alph und Brittany schnell wiederfinden, bleibt ihr Captain fürs Erste verschollen. Die Erkundungs- und Rettungsmission wird dadurch erschwert, dass sie jeden Tag Nahrung verbrauchen und deshalb nicht nur nach Charlie, sondern auch nach leckeren Früchten Ausschau halten müssen. Damit sie später nach Koppai zurückkehren können, ist es ebenso wichtig, den Überlichtschlüssel zu finden, der beim Aufprall der Drake, sprich dem Raumschiff des Teams, abhanden gekommen ist. Die Story von Pikmin 3 ist zuckersüß in Szene gesetzt und gliedert sich wunderbar in den Kontext zu den ersten beiden Teilen ein.
Fünf abwechslungsreiche Helferlein
In Pikmin 3 gibt es für uns sehr viel zu tun. Aus der Vogelperspektive erkunden wir PNF-404 und bekommen dabei tatkräftige Unterstützung von den titelgebenden Pikmin. Dabei handelt es sich um kleine, fast schon karottenartige Lebewesen, die uns bei unserem Auftrag helfen, wenn wir es positiv ausdrücken wollen. Viel mehr instrumentalisieren wir die einheimischen Pikmin, um im Spielverlauf voranzukommen. Die Pikmin weisen, ganz wie in den Vorgängern, verschiedene Farben und sogar Formen auf. Je nach Farbe oder Form verfügen sie über ganz spezielle Eigenschaften oder Fähigkeiten. Während die angriffslustigen roten Pikmin resistent gegen Feuer sind, eignen sich gelbe Pikmin hervorragend als Leiter für Elektrizität. Außerdem sind sie so leicht, dass wir sie an höhere Orte werfen können. Wollen wir einen Ausflug unter Wasser machen, so sind wir auf die blauen Pikmin angewiesen, denn diese können von allen Pikmin als einzige unter Wasser atmen. Neu dabei sind Fels- und Flügel-Pikmin. Während die Pikmin mit einem Körper aus Stein problemlos Glas und Kristall zerstören, haben die Pikmin mit ihren zwei kleinen Flügeln am Rücken die Möglichkeit, Objekte durch die Luft und über Seen und Flüsse zu transportieren. Die aus Pikmin 2 bekannten weißen und violetten Pikmin tauchen nicht im Hauptspiel, sondern lediglich in separaten Missionen auf. Schade.
Alltag im Leben eines Pikmin
Um in Pikmin 3 erfolgreich zu sein, müssen wir alle Pikmin an der richtigen Stelle einsetzen. Nur so können wir die rätselhafte Spielwelt nach und nach verstehen lernen. Beispielsweise schlagen wir mit den Fels-Pikmin erst einmal eine Glasscheibe ein, nutzen dann die roten Pikmin, um im Kampf gegen ein feuriges Monster keinen Schaden zu nehmen und werfen im vorletzten Schritt gelbe Pikmin auf eine hohe Anhöhe, wo ein paar Blumenvasensplitter auf uns warten, abtransportiert zu werden. Daraufhin marschieren die gelben Pikmin mit diesen Splittern zur nächsten vordefinierten Stelle los, an der sie eine kurze Brücke über einen Fluss errichten, wohinter sich dann wiederum ein wertvolles Objekt versteckt, das zum Raumschiff gebracht werden möchte. So und nicht anders koordinieren wir unsere bis zu einhundert Pikmin starke Armee und lösen mehr oder weniger Puzzles. Besiegen wir mit den Pikmin im Übrigen Gegner wie Käfer oder Frösche, können wir die Leichname zur sogenannten Zwiebel bringen, in denen die Pikmin die Nacht überstehen. Selbiges gilt für die Blumen. Mit den so gesammelten Ressourcen vermehren sich die Pikmin auf wundersame Art und Weise. Das ist auch wichtig, denn wenn wir unachtsam sind, können die Pikmin im Kampf sterben, ertrinken oder nachts von hungrigen Monstern gefressen werden. Nur so sichern wir die Population.
Immer diese Problemkinder
Wie schon in den beiden Vorgängern ist es auch in Pikmin 3 nur möglich, die Umgebung am Tag zu erkunden. Sobald nach 18 Minuten pro Spieltag die Nacht hereinbricht, endet der Tag automatisch für uns. Alle Pikmin, die zu diesem Zeitpunkt nicht unter der Obhut eines unserer drei Charaktere stehen oder sich nicht in der Zwiebel befinden, sprich irgendwo herumlungern, sind verloren. Erfreulicherweise gibt es an der Drake einen Knopf, mit der alle untätigen Pikmin automatisch zurückgeholt werden können. Der Schalter funktioniert zwar in fast allen Fällen tadellos, benötigt jedoch ein wenig Zeit und sollte daher nicht gerade zwei Sekunden vor Einbruch der Nacht getätigt werden. Nur sehr selten haben ein oder zwei Pikmin den Weg zurück nicht gefunden. Bei einer ansteigenden Bevölkerungszahl von mehreren hundert Pikmin fällt das aber absolut nicht negativ ins Gewicht. Ein wenig anders sieht das schon bei der Bedienung aus. Grundsätzlich lassen sich unsere Charaktere in Pikmin 3 sehr gut steuern. Fraglich ist aber, warum sich der linke Analog-Stick zum Bewegen der Figuren die Funktion mit dem Bewegen des Cursors zum Werfen oder Befehligen der Pikmin teilt. Letzteres funktioniert somit nur im Stehen und erschwert vor allem in hitzigen Situationen die Kontrolle über unsere Pikmin-Armee. Mit einer Neuveröffentlichung hätte das Problem doch gelöst werden können!
Zusammen mehr erreichen
Ähnlich sieht es bei der Koordination mit den anderen beiden Charakteren aus. Regelmäßig müssen wir die Gruppe aufteilen. Vor allem wenn wir höhere Plattformen erreichen wollen, ist es notwendig, dass alle drei Charaktere eng zusammenarbeiten, sich gegenseitig auf andere Ebenen befördern und die Pikmin nachwerfen. Während das Durchschalten zwischen den drei einzelnen Charakteren und gleichzeitig bis zu fünf Pikmin-Sorten im Schlepptau noch gut funktioniert, sind die einzelnen Ebenen manchmal etwas klein, sodass das Zielen zu einer leicht hakeligen Angelegenheit verkommt. Auch das hätte in der Deluxe-Fassung von Pikmin 3 überarbeitet werden können, blieb von Nintendos Entwicklerstudio Entertainment Planning & Development aber unangetastet. Wesentlich angenehmer lässt sich der Strategie-Titel in dieser Disziplin mit einem Mitspieler angehen. Jeder einzelne Spielmodus, sprich auch das Abenteuer, können zu zweit gespielt werden. So lassen sich die einzelnen Aufgaben sehr viel besser und vor allem eher parallel abarbeiten, anstatt jeden einzelnen Tag als Solist alleine durchzuplanen. Im Gegensatz zur Wii-U-Fassung, wo ein Spieler das Geschehen auf dem Bildschirm des GamePads sieht und der andere auf dem Fernseher agiert, gibt es bei der Switch-Version lediglich einen Splitscreen-Modus. Hier verschenkt Nintendo viel Potenzial.
Deluxe-Fassung mit Einschränkungen
Auch wenn es wirklich eine tolle Sache ist, selbst das Abenteuer zu zweit spielen zu dürfen, fragen wir uns, warum Nintendo es zumindest nicht optional ermöglicht, zwei Switch-Geräte miteinander zu vernetzen oder dem Spiel nicht gleich einen kooperativen Online-Modus zu spendieren. Pikmin 3 wäre doch ein so großer Anreiz, sich endlich mal eine kostenpflichtige Nintendo-Online-Mitgliedschaft zuzulegen! Immerhin kann die Deluxe-Variante mit ein paar neuen Inhalten glänzen, die über Download-Inhalte des Ursprungsspiels hinausgehen. So gibt es zum Beispiel einen besonders hohen Schwierigkeitsgrad, bei dem sich die Helden noch weniger Fehler erlauben können. Ein zusätzliches Kapitel mit Captain Olimar, dem Helden der ersten beiden Teile, gibt es ebenfalls. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine nett gemeinte Ergänzung, die aber storytechnisch nicht mit dem Hauptspiel mithalten kann. Das soll aber keinesfalls eine Kritik sein. Es ist wirklich schön, dass Nintendo einem ohnehin schon sehr guten Spiel neue Inhalte schenkt. Besitzer des ursprünglichen Spiels, die direkt mit den neuen Inhalten anfangen wollen, schauen aber in die Röhre. Um das Kapitel mit Olimar zu erleben, müssen wir erst einen Teil des Abenteuers abschließen. Damit wir uns im höheren Schwierigkeitsgrad versuchen können, müssen wir das Spiel sogar gleich ganz durchspielen.
Audiovisuelles Garten-Erlebnis
Fotorealistisch war Pikmin 3 auf der Wii U nicht und erreicht dieses Ziel auch auf der Switch kaum. Das ist aber nicht schlimm, denn trotz allem macht der Strategie-Hit als erster HD-Teil der Reihe auch sieben Jahre nach der Erstveröffentlichung eine runde Figur. Hinzu kommt, dass die Texturen auf der Switch etwas knackiger und schärfer als auf der Wii U ausfallen. Alle Umgebungen wie schneebedeckte Landstriche, malerische Gärten mit Wasserstellen oder dunkle Höhlen, in denen hinter jeder Ecke ein neuer Fressfeind lauern könnte, sind absolut stimmungsvoll und laden somit doppelt zum Erkunden ein. Überproportionale Werkzeuge aus Menschenhand, wie etwa schnurlose Telefone, verdeutlichen als Randnotiz noch einmal, wie klein wir und die Pikmin eigentlich sind und das Geschehen auch draußen in unserem Garten abspielen könnte. Wunderschöne Lichteffekte, wenn das Areal ins Abendrot gehüllt wird oder Gegner Flammen spucken, machen Pikmin 3 zu einem Erlebnis. Hinzu kommen beruhigende Melodien, die zum gemächlichen Spieltempo passen. Dennoch gibt es hin und wieder hitzige Gefechte gegen große Bossgegner, bei denen die Musik bedrohliche Züge annimmt. Diese Mischung gefällt uns sehr gut, da sie das Erlebnis atmosphärisch unterstreichen. Wer den Titel noch nicht gespielt hat, sollte bei Pikmin 3 in der Deluxe-Fassung unbedingt zuschlagen. Für alle anderen ist höchstens die Möglichkeit des kooperativen Abenteuers interessant.
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit (basierend auf der Nintendo-Switch-Fassung): Pikmin 3 Deluxe ist eines der Spiele, die jeder Fan von Echtzeit-Strategie-Titeln gespielt haben sollte. Die Spielwelt ist einzigartig und bietet mit den fünf verschiedenen Pikmin-Sorten reichlich Abwechslung, da diese stets neu miteinander kombiniert werden müssen. So macht das Erforschen der schön gestalteten Umgebungen gleich mehrfach Spaß. Besonders motivierend ist das Abenteuer jedoch dann, wenn ich mit einem anderen Spieler die Aufgaben aufteilen kann, anstatt alles alleine zu machen. Parallele Tätigkeiten sind in Pikmin 3 alleine nun mal schlecht umsetzbar. Schade ist jedoch, dass Nintendo mal wieder nicht alle Möglichkeiten ausschöpft. Warum der Titel über keinen Online-Modus oder zumindest kooperative Modi für zwei Offline-Konsolen anbietet, ist für mich ein Rätsel. Ebenfalls frage ich mich, warum die Entwickler nicht an der Steuerung gewerkelt haben. Wenn ich mich nicht bewegen darf, während ich ziele und Pikmin werfe, macht das heikle Situationen zur Geduldsprobe. Dennoch ist Pikmin 3 auch auf der Switch immer noch eine Empfehlung wert. Wer das Spiel noch nicht kennt, sollte unbedingt zugreifen. Alle anderen sollten sich zweimal überlegen, sich Pikmin 3 nochmals zuzulegen, denn bis auf tolle Ideen wie das Abenteuer kooperativ zu bestreiten, bietet die Deluxe-Fassung leider viel zu wenige Neuerungen.
Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Pikmin 3 Deluxe!