Review: Far Cry 6

Dreieinhalb Jahre nach Far Cry 5 führt Ubisoft die Reihe mit einem neuen Serienteil fort, der uns in ein neues Szenario mit neuem Bösewicht führt und ein paar spannende Ideen umsetzt. Das gelingt dem Ego-Shooter aus dem Jahr 2021 in vielen, aber leider nicht allen Belangen.

Diktator Antón Castillo regiert in Far Cry 6 mit eiserner Hand den fiktiven Inselstaat Yara, der in gewisser Weise an das realsozialistische Kuba erinnert. Das Land steckt jedoch mitten in einer Revolution, die Castillo um jeden Preis unterdrücken muss, damit er seinem Sohn sein Reich eines Tages vermachen kann. Gleich in den ersten Spielminuten, nachdem wir uns für den weiblichen oder männlichen Protagonisten Dani Rojas entschieden haben, bricht auf der Insel Yara die Hölle los. Mit einem Aufgebot an Panzern und Soldaten wird die Bevölkerung überrascht, die Bürger für den Wehrdienst eingezogen und zur Sklavenarbeit auf den Farmen gezwungen. Da ist es nur verständlich, dass Dani von Yara verschwinden will. Unsere Flucht in die Vereinigten Staaten von Amerika auf dem Seeweg wird verhindert. Nachdem wir am Strand von Yara erwachen und von der Seeblockade hören, fackeln wir nicht lange und schließen uns den Revolutionären an. Diese haben zum Ziel, Castillo vom Thron zu stoßen und durch einen neuen und vom Volk gewählten Präsidenten zu ersetzen. In der Exposition von Far Cry 6 funktioniert diese Geschichte auch außerordentlich gut. Sobald wir jedoch das Tutorium verlassen und Yara freier erkunden können, bricht dieses Kartenhaus zusammen. Bis zuletzt geht es nur um das Rekrutieren von wichtigen Personen für die Revolution. Gähn!

Action, Action, Action!

Nicht falsch verstehen, auch wenn Far Cry 6 deutlich mehr aus seiner Handlung herausholen hätte können, sieht das bei den einzelnen Missionen ganz anders aus. Schon in den ersten Spielstunden macht sich der Abwechslungsreichtum bemerkbar. Während wir in einer Mission ein ganzes Tabakfeld mit dem Flammenwerfer in Brand setzen, müssen wir in einer anderen Mission unseren Verbündeten helfen, zwei Schiffe in die Luft zu jagen. Der Ego-Shooter setzt durchweg auf jede Menge Action und diese ist wie für die Serie gewohnt brachial an allen Ecken und Enden inszeniert. Selbst die Nebenmissionen profitieren von diesem Konzept, bei der uns eine Kugel um die andere um die Ohren fliegt. Bis zu einem gewissen Grad können wir auch entscheiden, ob wir die Missionen eher schleichend aus dem Hinterhalt, bis an die Zähne bewaffnet oder auch aus dem Cockpit eines Helikopters angehen wollen. An dieser Stelle sei gesagt, dass der Schwierigkeitsgrad von Far Cry 6 je nach Spielertyp recht hoch ist. Bevor wir beginnen, müssen wir uns im Übrigen für Story- oder Action-Modus erscheinen. Selbst im abgeschwächten Story-Modus sind die Gegner, zumindest wenn sie Rudeln auftreten, eine haarige Angelegenheit. Das führt häufiger als uns lieb ist dazu, dass wir eine Mission immer wieder aufs Neue angehen müssen. Immerhin sind die Rücksetzpunkte oft fair verteilt.

Immersive Inselwelt

Als Open-World-Titel kann Far Cry 6, was für ein Spiel aus dem Hause Ubisoft nach etlichen ähnlichen Werken überraschen könnte, mit seiner Spielwelt punkten. So ist die Karte von Yara zunächst recht leer, füllt sich aber dynamisch mit unserem Spielfortschritt. Ein Beispiel: Wenn wir einen Kontrollpunkt einnehmen, positionieren sich an Ort und Stelle Revoluzzer aus den eigenen Reihen. Wenn wir mit diesen sprechen, erhalten wir Hinweise zu anderen Orten auf der Karte. So erfahren wir unter anderem, wo sich eine Raketenabschussbasis, ein Lager oder eine Höhle mit einem Geheimnis befindet. Auf diese Art und Weise macht das Erkunden der tropischen Insel wirklich sehr viel Spaß. Das Konzept fördert die Immersion und lässt uns nach und nach immer weiter in Far Cry 6 eintauchen. Zur Erkundung stehen uns Automobile, die aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, Fluggeräte und sogar Pferde zur Verfügung. Letztere eignen sich vor allem dazu, mit hoher Geschwindigkeit durch den Dschungel zu brettern, während richtige Fahrzeuge eher für die Straßen gedacht sind. Den Seeweg machen wir hingegen mit Booten unsicher. Schlimmstenfalls können wir mit Dani auch selbst ins kühle Nass springen und auf Tauchstation gehen. Ubisofts Ego-Shooter ist in dieser Hinsicht wie beim Missionsdesign sehr abwechslungsreich. Langweilig wird es im Spiel kaum.

Spielspaß trotz Kinderkrankheiten

Weniger gut gefällt das Trefferfeedback von Far Cry 6. Wenn wir beschossen werden, ist es nicht leicht, herauszufinden, aus welcher Richtung die Kugeln gerade geflogen kommen. Vor allem wenn fünf oder sechs von Castillos Soldaten Jagd auf uns machen, helfen auch die gut gemeinten Bildschirmanzeigen am Rand nicht viel. Das war schon bei Far Cry 5 ein großes Problem, dem sich die Entwickler nicht angenommen haben. Immerhin können wir in den Optionen auch Einstellungsmöglichkeiten wie Umrandungen von unseren Gegnern aktivieren, um die Übersicht zu verbessern, wenn wir mit selbst gebastelten Superwaffen um uns schießen oder unsere tierischen Gefährten auf die Gegner hetzen. Optisch kann der Titel aber nicht ganz überzeugen. Grundsätzlich sind die Texturen zwar hochauflösend, doch hier und da gibt es immer noch Elemente wie zum Beispiel herumliegende Karten, die so aus frühen 2000er-Jahre-Spielen stammen könnten. Immerhin läuft der Ego-Shooter in dieser Form auch auf älteren Mittelklasse-Rechnern mit einigen Abstrichen, die die Atmosphäre kurioserweise kaum schmälern, mit circa vierzig Bildern pro Sekunde recht flüssig. Die Musik ist ebenfalls passend, reißt aber genauso wenig wie die kaum lippensynchrone deutsche Synchronisation Bäume aus. Der englische Originalton funktioniert, vor allem bei Schauspieler Giancarlo Giuseppe Alessandro Esposito, deutlich besser. Trotz solch vermeidbarer Abstriche ist Far Cry 6 immer noch ein sehr schicker Ego-Shooter mit viel Abwechslung für Genre-Fans geworden.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Far Cry 6 beginnt dicht erzählt, verliert sich aber storytechnisch schnell in wiederkehrende Handlungsbögen. Das ist recht langweilig, zumal auch nicht jeder Nebencharakter durchdacht geschrieben ist. Trotz allem kann das Spiel in meinen Augen, wenn einem Storytelling nicht so wichtig ist, immerhin in puncto Action und Inszenierung überzeugen. So gut wie jede Mission spielt sich nicht nur durch die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten, sondern vor allem durch ihren unterschiedlichen Aufbau sehr, sehr abwechslungsreich. Hier zeigen die Entwickler, welcher Ideenreichtum selbst in einem Titel mit einer offenen Spielwelt stecken kann. Auch wie sich die Welt dynamisch durch meinen eigenen Wunsch zum Entdecken und meinem Drang zur Neugier füllt, ist eine willkommene Abweichung vom Genre-Einheitsbrei. In spieltechnischer Hinsicht macht Far Cry 6 vieles, aber leider nicht alles richtig. Auch hier gibt es Schattenseiten wie das zu Wünschen übrig lassende Trefferfeedback. Besonders wenn viele Gegner mich im Spiel umkreisen, ist es schwierig, herauszufinden, welcher Feind mich gerade am ehesten aufs Korn nimmt. Das war im Vorgänger schon nicht anders und hätte bei Far Cry 6 unbedingt korrigiert werden müssen. Auch der Schwierigkeitsgrad fällt für meinen Geschmack selbst im Story-Modus viel zu hoch aus und das häufige Neuladen einer Mission ist dann echt nervig. Von den offiziellen und sehr hohen Systemanforderungen sollten sich Interessenten aber keinesfalls abschrecken lassen. Selbst auf einem mehr als acht Jahre alten Mittelklasse-PC läuft das Spiel mit einigen Abstrichen, die atmosphärisch überraschend wenig ins Gewicht fallen, immer noch sehr flüssig. Genre-Fans werden mit Far Cry 6 unterm Strich aber so oder so zufrieden sein.

Vielen Dank an Ubisoft für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars für Far Cry 6!

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