Review: God of War: Ragnarök

Viereinhalb Jahre ist es her, dass wir uns zuletzt mit Kratos durch die nordische Mythologie gekämpft haben. Diese Schnetzelorgie ging mit dem im November 2022 veröffentlichten God of War: Ragnarök in die nächste Runde. Herausgekommen ist ein richtig gutes Abenteuer.

Es ist vorbei mit der Ruhe in der inzwischen schneebedeckten Idylle Midgards. Der Fimbulwinter ist über das Land hereingebrochen und hat das gemäßigte Klima verdrängt. Ragnarök steht bevor, das Ende der Welt oder viel mehr der Untergang der Götter wird eingeleitet. Das ist aber noch nicht alles – und an dieser Stelle sei all jenen Frevlern, die God of War aus dem Jahr 2018 noch nicht abgeschlossen haben, vor Spoilern gewarnt: Freya ist nach wie vor außer sich vor Wut und will Kratos für den Mord an ihrem Sohn Balder umbringen. So beginnt das Spiel mit einer hektischen Schlittenfahrt, bei der Kratos und sein Sohn Atreus den Angriffen von Freya ausweichen und sich in ihren Schutzkreis flüchten müssen. Neben einem weiteren Rückschlag machen Vater und Sohn zum einen Bekanntschaft mit dem Gott Thor und zum anderen mit dessen Vater Odin, der ebenso der Vater von Balder war. Trotz Friedensangeboten seitens des Allvaters willigt Kratos nicht ein. Die Situation eskaliert, Thor und Kratos kämpfen, während Atreus von Odin beschwatzt wird, nach Asgard zu kommen. Ein durchaus verlockendes Angebot, so will Atreus doch mehr über seine Identität als Loki herausfinden. Falls ihr den Vorgänger nicht gespielt habt, versteht ihr an dieser Stelle definitiv nur Bahnhof. God of War: Ragnarök mangelt es trotz gut gemeintem Rückblickvideo an einer Exposition.

Atmosphärisch dicht erzählte Geschichte

Nicht nur bei der Story versäumt es das Spiel alle wichtigen Fakten einfach und verständlich zu erklären, auch bei den aus dem ersten Teil bekannten Charakteren wird vorausgesetzt, dass ihr sie so gut wie Kratos und Atreus kennt. Offenbar haben die Entwickler vom Sony Interactive Entertainment Santa Monica Studio noch nie einen Teil von Segas Yakuza-Reihe gespielt – sonst wüssten sie, wie zumindest optional die bisherigen Geschehnisse zusammengefasst werden könnten. Ein schlechtes Spiel ist God of War: Ragnarök deswegen aber bei Weitem nicht. Es setzt eben nur sehr viel Wissen voraus. Natürlich könnt ihr auch mit Wissenslücken Spaß am Gameplay und sogar an der Story haben, viele Zusammenhänge und Informationen bleiben euch in diesem Falle aber verborgen. Positiv ist jedoch genauso wie beim Vorgänger, dass es nur in wenigen Minuten ruhig bleibt. Ansonsten unterhalten sich Kratos, Atreus, der Schädel von Mimir und weitere Verbündete, die sich im Verlauf der Story immer wieder dem Vater-Sohn-Gespann anschließen, fast durchgehend über die aktuellen Entwicklungen. Das erinnert ein wenig die Autofahrten während einer Mission in der Grand-Theft-Auto-Serie und sorgt dafür, dass God of War: Ragnarök atmosphärisch erzählt ist. Die Charaktere durchleben verschiedene Gefühlslagen, angefangen von Scherzen bis hin zum Ableben eines Freundes.

Actionreiche Kämpfe mit wachsendem Potenzial

Neben dem erzähltechnischen Konstrukt baut das Action-Adventure ebenso auf den weitgehend gelungenen Gameplay-Grundlagen des Vorgängers auf. Das heißt, dass wir mit Kratos die neun Reiche der Spielwelt per pedes, auf Schlitten und via Boot auf der Suche nach Antworten durchforsten. Unterwegs stellen sich uns zahlreiche kleine Gegner in den Weg, die wir mit gezielten Schlägen mit unserer Leviathanaxt, den Chaosklingen und im späteren Spielverlauf mit einer weiteren Waffe bekämpfen. Hierzu stehen uns einige, wenn auch nicht übermäßig viele Kombinationsangriffe zur Verfügung. Wir reihen schwache an starke Angriffe und umgekehrt, wechseln je nach Affinität der Gegner zwischendurch unsere Waffe und können auf Knopfdruck auch unsere jeweiligen Begleiter aktiver ins Kampfgeschehen einwechseln. Anfangs sind die Angriffsmöglichkeiten aber noch sehr begrenzt, da wir neue Fähigkeiten erst einmal über Erfahrungspunkte freischalten müssen. Daneben ist es unsere Aufgabe, spezielle Items zum Verbessern der Waffen zu finden, damit das Erlernen höherer Fähigkeiten überhaupt erst möglich ist. Letzteres bremst die Charakterentwicklung bei einer Spielzeit von bis zu über sechzig Spielstunden tatsächlich ein wenig aus, fällt aber nicht so stark ins Gewicht, da God of War: Ragnarök auch noch auf einen weiteren und nicht unwichtigen Aspekt setzt.

Rüstungen machen Krieger

Mit diesem Aspekt ist die Individualisierung der Spielfigur gemeint. Abseits der Wege gibt es viel zu entdecken. Hierzu zählen beispielsweise einfache Runen, die Hintergründe über die nordische Mythologie vermitteln. Viel wichtiger sind aber Truhen, die vor allem Hacksilber, die Währung des Spiels, beinhalten. Daneben gibt es aber auch Kisten, die neue Ausrüstungsgegenstände oder sogar Objekte beinhalten, die unsere Gesundheit und Ausdauer erhöhen. Es lohnt sich also deutlich, abseits der Wege die Augen offenzuhalten. Mit gefundenem Hacksilber und Schmiedematerialien lassen sich bei den Zwergenbrüdern Sindri und Brok ebenfalls neue Rüstungen schmieden oder bereits bestehende Ausrüstung bis zu einem gewissen Grad verbessern. Das führt dazu, dass wir uns schon recht früh im Spiel auf eine Spielweise festlegen können. So dürfen wir unsere Ressourcen in Armschienen und Hüftgürtel investieren, die zum Beispiel unsere Stärke und Runenkraft erhöhen, statt unsere Verteidigung auszubauen. Nur wenn wir mitten im Spiel merken, dass wir unsere Spielweise verändern müssen, kann es aufgrund Ressourcenknappheit kompliziert werden, zu anderen Rüstungsteilen zu wechseln, da wir diese dann nicht mehr bis auf Anschlag verbessern können. Habt ihr den Vorgänger bereits gespielt und euch eine Taktik zurechtgelegt, könnt ihr damit wie gewohnt fortfahren.

Spielwelterkundung mit und ohne Hindernissen

God of War: Ragnarök setzt ebenfalls wie beim Vorgänger auf ein ähnliches Leveldesign. So besteht die Welt aus vielen schlauchartigen Abschnitten und einigen größeren und noch dazu deutlich freier zu erkundenden Arealen. Insbesondere letztere gefallen uns ziemlich gut, da wir hier die durchaus interessanten Nebenaufgaben in einer freien Reihenfolge abschließen können. Die Schlauchlevels dienen eher dem Narrativ, auch wenn sie häufig durch kleinere Rätsel aufgelockert werden. Wirklich anstrengen müssen wir uns bei diesen Rätseln aber nur bei den wenigsten. Oft genug weisen uns Begleiter auf die Rätsellösung frühzeitig hin. Nur wenn es darum geht, eine verschlossene Truhe per Rätsel zu lösen, müssen wir uns meistens eigenständig in der Gegend umsehen. Der geringe Anspruch beim Knobeln sorgt wiederum dafür, dass das Action-Adventure quasi keinen Leerlauf bietet. Wir haben ständig etwas zu tun, lauschen den Dialogen, öffnen Truhen, lösen Rätsel und messen uns in häufig sogar recht unerwarteten Herausforderungen mit optionalen Bossgegnern. Viele von den Bossgegnern haben es wirklich in sich. Wer Titel wie Demon’s Souls gespielt hat, ist hier klar im Vorteil. Ansonsten heißt es den Gegner und seine Angriffe beobachten, Attacken ausweichen oder besser noch diese zu blocken. Das kostet zwar Zeit, die Belohungen sind aber befriedigend.

Leichte Probleme mit der Steuerung

Auch wenn einige der schlauchartigen Abschnitte ermüdend sind, da sie aufgrund der Erzählweise nicht selten ein paar Stunden in Anspruch nehmen können, schauen wir gerne über diesen Fauxpas hinweg. Es gibt jedoch Punkte am Spiel, die nicht so leicht zu verdauen sind. Gemeint sind damit die Einschränkungen im Kampfsystem. Für sich genommen funktionieren fast alle Eingaben problemlos, doch wenn Kratos betäubt wird, beim nächsten Schlag des Gegners die Zeit zum Ausweichen verlangsamt wird und wir uns nicht aus der Paralyse befreien können und die Gegner daraufhin Angriffe verketten, ist das blanker Hohn. Noch dazu ist es ärgerlich, dass das Anvisieren eines Feindes nur so lange funktioniert, bis dieser plötzlich hochspringt und uns von oben attackiert. Das Spiel visiert den Feind danach nicht automatisch an. Wir müssen noch beim Ausweichen die Kamera drehen und das Anvisieren manuell vornehmen, während der Gegner direkt zum Schlag ausholen kann. Besonders bei den besagten optionalen Bosskämpfen ist das ein sehr großes Hindernis und raubt den brachialen Kämpfen zunehmend ihre Faszination. Auch dass die Begleiter zu wenig in die Kämpfe eingreifen, sorgt nicht gerade für eine glaubhafte Inszenierung. God of War: Ragnarök soll jetzt nicht zur Anspruchslosigkeit verkommen, aber für uns ist all das nur wenig nachvollziehbar.

Technische Vor- und Nachteile

Sony Interactive Entertainment veröffentlichte das Actionfeuerwerk sowohl für die PlayStation 5 als auch für das Vorgängermodell. Das macht sich auch in der Technik bemerkbar, denn God of War: Ragnarök wurde im Grunde als PlayStation4-Spiel entwickelt. Als solches sieht der Titel auch wirklich fantastisch aus und überflügelt sogar noch einmal den Vorgänger. Es ist aber schade, dass die PlayStation-5-Fassung nicht wirklich davon profitiert. Die grafischen Unterschiede sind wirklich nur minimal und spiegeln sich eher in puncto Bildwiederholrate und Auflösung wieder. Zwar ist das Spiel auf der PlayStation 5 nicht hässlich, aber es wäre deutlich mehr möglich gewesen. Interessant ist auch, dass sich in unserem Test zeigt, dass die PlayStation-4-Version auf der PlayStation 5 besser läuft als die PlayStation-5-Fassung. Zwar ist die Bildwiederholrate dann auf dreißig Bilder gekoppelt, aber wir können keine nervigen Ruckeleinlagen entdecken, die bei der PlayStation-5-Ausgabe auf unserem Fernsehgerät auftreten. Lediglich die DualSense-Funktionen, die uns stellenweise richtig gut vermitteln, auf welchem Grund wir gerade laufen oder schlittern, sind ein Mehrwert, der der PlayStation-5-Fassung vorbehalten ist. Nichtsdestotrotz bleibt God of War: Ragnarök mit den angesprochenen Defiziten eine klare Empfehlung für Action-Adventure-Fans, die den Vorgänger kennen.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der PlayStation-4- und PlayStation-5-Fassung): Bis heute wundert es mich, wie sich God of War im Jahr 2018 bei Presse und Medien zum Spiel des Jahres mausern konnte. Keine Frage – das Spiel ist wirklich gut, aber besser als Red Dead Redemption II wohl kaum in meinen Augen. Für God of War: Ragnarök könnte es in diesem Jahr, selbst für mich, aber deutlich klarer sein. Das Action-Adventure ist in puncto Erzählkunst eine wahre Wucht, bietet facettenreiche wie tiefgründige Charaktere und alleine der Fakt, dass mich das Spiel die Geschichte auch während der Erkundung mittels Dialoge erleben lässt, ist einfach grandios. Auch das Erkunden und die Kämpfe machen sehr viel Spaß. Hier stechen mir zwar einige Punkte wie sehr viele schlauchartige Areale, fast ausnahmslos anspruchslose Rätsel, eine teils echt miese Kameraführung und eine schwache künstliche Intelligenz bei den Begleitern ins Auge, doch die Vielzahl an Individualisierungsmöglichkeiten für Kratos, die heftigen Angriffskombinationen und das beeindruckende Zusammenspiel von Akustik und Optik machen vieles wieder wett. Gerne würde ich jedem Genre-Fan das Spiel bedenkenlos empfehlen. Fakt ist aber, dass das Rückblickvideo ein aussageloser Witz ist und eine Exposition gänzlich fehlt. In diesem Falle kann ich aber nur raten, God of War von 2018 nachzuholen und bei Gefallen direkt im Anschluss mit God of War: Ragnarök loszulegen.

Vielen Dank an Sony Interactive Entertainment für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von God of War: Ragnarök!

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