Review: Sonic Frontiers

In den letzten Jahren hatte der titelgebende blaue Igel Sonic sowohl herausragende Jump-’n’-Run-Action als auch sehr halbgare Kost zu bieten. Mit Sonic Frontiers will Sega der Reihe frischen Wind einhauchen, scheitert dabei aber ausgerechnet an altbekannten Problemen.

Sonic Frontiers erzählt einmal mehr eine recht seichte Story über Sonic, der sich per Flugzeug mit seinen beiden Freunden Tails und Amy zu den Starfall Islands aufmacht. Sie wollen die mystischen Chaos Emeralds zurückholen, die vom Archipel magisch angezogen werden. Auf den Inseln befinden sich antike Ruinen, die offenbar reaktiviert worden sind und für das Anlocken der Edelsteine verantwortlich sind. Was die drei Freunde zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, wir als Spieler aber schon, ist, dass Erzfeind Dr. Eggman seine Finger im Spiel hat. Dieser steckt im Cyberspace der Inseln fest und hetzt die künstliche Intelligenz Sage gegen Sonic und Co auf. Großartige Wendungen dürft ihr von Sonic Frontiers nicht erwarten, doch ist das nicht schlimm. Immerhin traut sich die Reihe deutlich mehr als die in der Vergangenheit lebende Super-Mario-Reihe von Nintendo, bei der es nur um das Retten der Prinzessin geht. Außerdem ist Segas Spiel, wenn auch nur passabel, fast vollständig auf Deutsch vertont. Kaum haben wir das erste Eiland erreicht, werden wir auch schon ins Cyberspace gezogen und schließen den ersten und eher klassisch gestrickten Sonic-the-Hedgehog-Level ab. Kurz darauf können wir die erste Insel betreten und die eigentliche Spielwelt erkunden, die zumindest halbwegs ein Novum in der Reihe darstellt. Sie funktioniert nach den Regeln einer offenen Spielwelt und lädt regelrecht zum Erkunden ein – aber auch sehr zum Ermüden.

Missverstandener Sinn einer offenen Spielwelt

Wir flitzen mit Sonic von einem Ort zum anderen, lösen leichte Rätsel, bekämpfen ein paar Gegner und treiben durch das Sammeln von Collectibles die Story peu à peu voran. Dazu gehört auch das Betreten von Portalen, die uns in zwei- und dreidimensionale Levels schickt, so wie wir sie aus den zahlreichen Vorgängern kennen. Diese machen uns tatsächlich am meisten Spaß, da sie zum einen kurzweilig sind und zum anderen auch das typische Spielgefühl der Reihe bestens simulieren. Anders sieht es auf den Inseln aus. Hier können wir uns zwar frei bewegen und die Umgebung erkunden, aber sämtliche Aufgaben wiederholen sich viel zu oft in viel zu schnellen Intervallen. Am ehesten lässt sich die Spielwelt mit der aus Immortals: Fenyx Rising vergleichen, nur hat Ubisoft verstanden, dass es nicht reicht, einfach Aufgabe an Aufgabe zu reihen, sondern Umfang und Herausforderung richtig zu dosieren. Sonic Frontiers bleibt in dieser Disziplin gleichbleibend dürftig. So müssen wir Sonic in ein Laufrad zwängen, einen Kreis ablaufen, ein paar Gegenstände zerstören, manchmal ganz schön komplizierte Geschicklichkeitsanlagen meistern oder eine Handvoll Gegner besiegen. Besiegte Gegner hinterlassen Fähigkeitspunkte, die wir in neue Fähigkeiten im Menü investieren dürfen. Leider verfügt Sonic auch nach Stunden über nur wenige Techniken, sodass Kämpfe und Erkundungsanteil eingeschränkt bleiben. Die Entwickler verspielen hier viel Potenzial.

Altbekannte Probleme

Noch dazu setzt Sonic Frontiers auf ein Konzept, bei dem wir mit dem Sammeln von Collectibles Sonics Angriffskraft, Verteidigung, Geschwindigkeit und Ringkapazität, die quasi die Lebensenergie darstellt, verbessern können. Jeder Wert lässt sich 98-mal erhöhen, doch selbst nach einigen Verbesserungen haben wir nicht das Gefühl, dass dieser Prozess eine großartige Veränderung mit sich bringt. Während all diese Sachen je nach eigenem Anspruch ja durchaus noch zu verschmerzen sind, bringt uns die technische Umsetzung aus der Fassung. So lädt die Vegetation der ersten Welt spürbar in der Ferne nach. Selbst einige der in der Spielwelt platzierten Objekte tauchen erst wenige Meter vor Sonic auf. Das erinnert an frühe 3D-Jump-’n’-Runs der 1990er-Jahre, aber ein Spiel auf der potenten PlayStation 5 darf mit solchen Problemen einfach nicht mehr zu kämpfen haben, zumal der Titel je nach Insel auch nur sehr durchschnittlich aussieht. Viel gravierender sind jedoch die Steuerungs- und Kameraprobleme. Serientypisch setzt der Titel auf eine hohe Spielgeschwindigkeit. Das Design der Spielwelt lässt uns aber oft zu wenig Zeit, im richtigen Moment zu agieren. Nicht selten liegt das an einer plötzlichen schwankenden Kamera, die sich mit der Eingabenkontrolle versetzt. Derlei Probleme rauben Sonic Frontiers bereits nach wenigen Stunden den letzten Funken Spielspaß. Selbst den größten Sonic-the-Hedgehog-Fans raten wir deshalb vom Kauf des Spiels ab.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der PlayStation-5-Fassung): Warum gefühlt jeder zweite größere Titel heutzutage eine offene Spielwelt braucht, ist mir schleierhaft. Gerade Werke, deren Vorgänger in drei Jahrzehnten ohne ausgekommen sind, sollten es besser wissen. Vielleicht ist Sonic Frontiers auch nur ein Experiment seitens Sega, das weiß ich nicht. Es ist dann aber ein Experiment, das definitiv nicht geglückt ist. Zwar mag die seichte Story besonders jüngere Spieler ansprechen und unterhalten und die frei begehbaren Inseln zumindest anfangs zum Erkunden einladen, doch schon nach wenigen Spielstunden habe ich gefühlt alles gesehen. Auch solche Titel spiele ich gerne bis zum Ende, aber die technischen Probleme des Spiels verderben mir den Spielspaß auf ganzer Linie. Plötzlich tauchen in der Luft unerwartet Plattformen auf und noch viel unerwarteter schwenkt an einigen Stellen die Kamera mitsamt der Steuerung, die Sonic nicht mehr wirklich kontrollierbar macht. Auch an sich lässt die Bedienung zu wünschen übrig, da das Leveldesign an vielen Stellen einfach abbremst und Navigieren erschwert. Letzteres sind Fehler, die das Gesamtbild früherer Serienteile bereits schwer demoliert haben. Mit der mauen Spielwelt nehmen mir diese Defizite aber jeden Willen, mich weiter mit dem Spiel zu beschäftigen. Sonic Frontiers ist eindeutig ein neuer Tiefpunkt.

Vielen Dank an Sega für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Sonic Frontiers!

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