Review: Front Mission 1st: Remake

Ursprünglich erschien das Strategie-Rollenspiel Front Mission im Jahr 1995 für das Super Famicom in Japan. Portierungen auf die PlayStation und den Nintendo DS folgten, doch bis nach Europa gelangte der Titel nie. Dies sollte sich mit Front Mission: 1st Remake ändern.

Rechteinhaber Square Enix ist seit einigen Jahren im Retro-Wahn. So hat der japanische Konzern schon so einige Titel der Final-Fantasy-Reihe und der SaGa-Serie erneut veröffentlicht – inklusive Europa-Releases, die in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren eine echte Seltenheit waren. Nach fast drei Jahrzehnten gelang Ende November 2022 dank einer Zusammenarbeit zwischen Square Enix und Forever Entertainment auch der erste Teil der Front-Mission-Reihe in hiesige Gefilde und begeistert uns prompt mit einem spannenden Szenario und intelligentem Gameplay. Angesiedelt ist Front Mission im Jahr 2090 auf dem fiktiven Huffman Island südlich von Mexiko. Um dieses Eiland streiten sich zwei Staatenverbände: Auf der einen Seite die United States of the New Continent, einem Verbund von nord- und südamerikanischen Ländern – und auf der anderen Seite die Oceania Cooperative Union, bestehend aus süd- und südostasiatischen Nationen sowie Australien. Bereits vor zwanzig Jahren tobte ein heftiger Krieg auf der Insel. Der brüchige Frieden wird durch einen Zwischenfall, an dem auch unser Protagonist Royd Clive beteiligt ist, neu entfacht. Da Royds Frau, ebenfalls eine Soldatin, bei dem Ereignis offenbar ihr Leben verliert, steigt er aus der Armee aus. Ein Jahr später zwingt jedoch der immer noch anhaltende Krieg Royd und damit uns zurück auf das Schlachtfeld.

Lange Schlachten mit tiefgreifenden taktischen Möglichkeiten

In Front Mission hetzen die Soldaten jedoch nicht per pedes übers Schlachtfeld – zumindest nicht auf ihren eigenen Füßen. Stattdessen sitzt jeder Akteur in einem so genannten Wanzer. Dabei handelt es sich um mecha-ähnliche Wanderpanzer, womit das Kofferwort hoffentlich erklärt ist. Ähnlich wie in anderen japanischen Strategie-Rollenspielen schieben wir unsere Einheiten respektive Wanzer schachbrettartig übers Schlachtfeld, suchen uns die beste Position für den nächsten Angriff oder nehmen eine schützende Stellung ein. Kommt es zum Zusammentreffen zweier Wanzer, öffnet sich für die Dauer des Zuges ein Kampfbildschirm, in dem jeder Kampfteilnehmer einen einzigen Angriff ausführen kann. Im Gegensatz zu Titeln wie Advance Wars und Co haben die Wanzer aber nicht nur eine einzige Lebensenergieleiste. Stattdessen besteht jeder Wanzer aus dem überlebenswichtigen Rumpf, den Beinen und zwei Armen. Jedes Teil kann zerstört, wenn auch nicht gezielt im Kampf anvisiert werden – das ist im Sinne des Gameplays verständlich, da so nur der Rumpf anvisiert und die anderen Teile missachtet würden. Werden einzelne Teile zerstört, hat das nachvollziehbare Auswirkungen aufs Kampfgeschehen. Mit kaputten Beinen können wir uns pro Zug nur ein Feld weit bewegen und das Ergebnis defekter Arme kann sich jeder von euch wohl sehr gut selbst ausmalen.

Detaillierte Individualisierung und unübersichtliche Menüstrukturen

Eine Schlacht in Front Mission kann im Gegensatz zu anderen Titeln des Genres aber nicht schnell entschieden werden. So dauert bereits die erste Schlacht gut eine Spielstunde bis der Feind ausgelöscht ist. Dadurch, dass das Gelände Auswirkungen auf den Schutz oder das Vorankommen hat, muss jeder Zug gut durchdacht werden. Dass Front Mission ein Schwergewicht ist, fällt auch im Laden auf. So müssen wir uns auf jede Schlacht insofern vorbereiten, dass wir unseren Lohn immer wieder in neue Ausrüstung stecken, die Lebensenergie und Verteidigung erhöhen. Aber auch die zu erbringende Leistung oder das Gewicht der Teile müssen wir immer wieder beachten. Für Neulinge im Genre ist Front Mission nicht unbedingt geeignet, da viele Elemente nicht ausreichend genug erklärt werden und die unübersichtlichen Anzeigen in den Menüs vor allem zu Beginn erschlagend sein können. Wer aber genug Zeit und Sitzfleisch mitbringt und sich im Detail mit den Wanzern beschäftigen will, wird mit Front Mission seine wahre Freude haben. Hinzu kommt, dass jedes ausgewechselte Teil nicht nur spürbare Auswirkungen auf die Werte und das Spielgefühl haben, sondern auch optisch auf dem Schlachtfeld zu sehen ist. So wirken die Wanzer recht abwechslungsreich, was sie auf dem teilweise recht überladenen Schlachtfeld doch ein wenig leichter zu unterscheiden macht.

Kleine Defizite mit starkem Ausgleich

Abgesehen von den detaillierten, aber unübersichtlichen Menüstrukturen und überladenen Schlachtfeldern lässt sich Front Mission fast einwandfrei bedienen. Stets können wir uns ein gutes Bild vom Kampfareal machen, indem wir die Kamera schwenken. Auch die Reichweite der Wanzer ist bei Selektion zu erkennen. Schade nur, dass letzteres nicht bei den Gegnern funktioniert. Hier hat das Spiel das Nachsehen zu Titeln wie Fire Emblem und Konsorten. Auch dass wir nicht stufenlos und weiter aus dem Geschehen herauszoomen können, verstehen wir nicht. Gerade dies würde die Übersicht auf den Schlachtfeldern verbessern. Visuell kann das Spiel mit seinen kleinen Miniaturwelten beeindrucken, auch wenn die Switch in wenigen Fällen ans Leistungslimit kommt, was für kleinere Ruckler sorgt. Die Spielbarkeit wird aufgrund des rundenbasierten Systems aber in keiner Weise beeinträchtigt. Ansprechend sind die zeitgenössischen Charakterdesigns, die von Amano Yoshitaka stammen und vor allem an Figuren aus Final Fantasy VI erinnern. Bedauerlich ist, dass die Dialoge zwischen den Charakteren keine starke Tiefe erreichen und somit nur mittel zum Zweck der Erzählung sind. Da der überarbeitete Soundtrack dafür unfassbar gut ist, summen wir bei den Gesprächen einfach mit und vergessen diesen Fauxpas. Auf Wunsch können wir sogar zur klassischen Musik von der PlayStation wechseln. Nostalgiker wie wir freuen sich sehr darüber!

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der Nintendo-Switch- und Super-Nintendo-Fassung): Vor etlichen Jahren habe ich bereits in das Original von Front Mission auf dem Super Nintendo respektive Super Famicom hineingeschnuppert. Aufgrund fehlender Japanischkenntnisse zum damaligen Zeitpunkt habe ich mit dem Spiel aber nur bedingt Freude gehabt. Das hat sich mit dem Front Mission 1st: Remake schlagartig geändert. Es ist eine ganz andere Erfahrung, wenn Schlachten bereits zu Beginn des Spiels zeitintensiv und herausfordernd ausfallen. Auch die Idee, dass jeder Wanzer aus mehreren Teilen besteht, die bei Beschädigungen essentielle Auswirkungen auf das Kampfgeschehen haben, gefällt mir. Dass gerade die Story und die Dialoge trotz des spannenden Szenarios nur wenig zur Geltung kommen, ist durchaus verpasstes Potenzial beim Remake. Auch Spieler, die sich mit dem Genre bisher noch nie auseinandergesetzt haben, werden selbst bei der Neuauflage von Front Mission ihre Probleme bekommen können. So wirkt das Schlachtfeld insofern überladen, dass es manchmal schwerfällt, die Übersicht zu behalten. Auch die detaillierten Menüstrukturen, die viele wichtige Informationen auflisten, können nicht binnen weniger Sekunden durchschaut und weggeklickt werden. Das Spiel will, dass ich mir Zeit nehme und mich in den Krieg auf Huffman Island versetze – und das gelingt dem Titel mit Bravour. Beim Front Mission 2: Remake können sich die Entwickler bei Forever Entertainment aber durchaus ein paar Komfortfunktionen einfallen lassen, damit die Reihe auch abseits der Hardcore-Strategen seine Fans finden kann.

Vielen Dank an Forever Entertainment für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Front Mission 1st: Remake!

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