Review: Railway Empire 2

Als im Jahr 2018 Railway Empire erschien, wollten die Entwickler der Gaming Minds Studios in die Fußstapfen von Railroad Tycoon und Co treten. Dies ist ihnen durchaus geglückt. Mit dem Nachfolger Railway Empire 2 macht es sich das Entwicklerstudio aber zu einfach.

Für die Entwicklung des Spiels haben die Entwickler vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr eine Förderung von anderthalb Millionen Euro erhalten. Für ein deutsches Unternehmen also eine Menge Asche, die Großartiges verheißen lässt. Das Endergebnis könnte aber nicht zwiespältiger sein, doch der Reihe nach: In Railway Empire 2 schlüpfen wir erneut in die Rolle eines Eisenbahnmagnaten und helfen dabei, das Schienennetz in Nordamerika, England und dem kontinentalen Europa aufzubauen. Aus der Vogelperspektive errichten wir in Städten und in der Nähe von Betrieben Bahnhöfe, legen zwischen diesen Orten Schienen, richten Zuglinien ein und machen im Endeffekt mit dem Transport von Gütern, Post und Personen Geld, das in den Aufbau unseres Unternehmens fließt. Hinzu kommen Personalmanagement, Sabotage-Aktionen bei der Konkurrenz, Auktionen oder feindliche Übernahmen. So leicht das Gameplay des Aufbauspiels beschrieben ist, so einfach ist es auch zu verinnerlichen. In einem mehrstufigen Tutorial lernen wir die wichtigsten Grundlagen kennen und werden peu à peu an Railway Empire 2 herangeführt. Vor allem jene Spieler, die das Seriendebüt bereits gespielt haben, dürften sich ab der ersten Minute sofort zurechtfinden. Gerade dieser Punkt macht die zweite Episode zu einem Spiel, das es eigentlich gar nicht gebraucht hätte.

Viel Bekanntes und wenig Neues

Bitte nicht falsch verstehen: Railway Empire 2 ist wie schon der Vorgänger ein wirklich tolles Spiel, das sehr viel Freude bereiten kann. Ein paar wenige Neuerungen wie das Verlegen von parallelen Gleisen, die vor Bahnhöfen noch dazu mit Weichenköpfen sinnvoll miteinander verbunden werden können, erweitern das geniale Spielkonzept. So ist das Anlegen von parallelen Gleisen insbesondere bei Tunneln und Brücken deutlich günstiger als das manuelle Verlegen per Hand. Auch der Nutzen von Weichenköpfen mitten in der Pampa zahlt sich aus, wenn dadurch Expresszüge den Vorzug zu Frachtzügen erhalten. Trotzdem lassen sich derlei spielentscheidende Neuerungen an einer Hand abzählen. Viel mehr möchte Railway Empire 2 mit einem größeren Umfang glänzen. So fallen die Karten weitflächiger aus und bieten viel mehr Platz für Städte und Betriebe, die wir miteinander verbinden können. „Mehr Masse statt Klasse“, könnten böse Zungen behaupten. Fakt ist, dass wir in die fünf Kapitel der Kampagne sehr viel Zeit versenken und uns der Eisenbahnromantik der 1830er- bis 1910er-Jahre hingeben können. Auch hier verspielen die Entwickler Potenzial. Es wäre doch so interessant gewesen, ein paar weitere Jahrzehnte unter dem Einfluss der Weltwirtschaftskrise oder den beiden Weltkriegen zu erleben. Unter diesem Aspekt erleben wir dieselbe Zeit nur noch einmal.

Digitale Hilfestellungen

Insbesondere die Diversität an verschiedenen Lokomotiven, die im ersten Serienteil durch mehrere Download-Inhalte nach Mexiko oder Japan entführen, hätten wir uns für Railway Empire 2 sehr gewünscht. Schade ist auch, dass viele Menüstrukturen ähnlich kompliziert ausfallen wie im Vorgänger. Wollen wir beispielsweise wissen, welche Güter in einer Stadt benötigt werden, müssen wir umständlich in einer Liste nachschauen. Obwohl die einzelnen Mechaniken leicht zu erlernen sind, könnten sich Einsteiger womöglich durch solche fragwürdigen Designentscheidungen etwas überfordert fühlen. Zum Glück gibt es eine digitale Spielhilfe mit vielen Tipps, die Abhilfe schaffen wollen. Vielleicht mögen wir ein wenig altmodisch sein, aber mit einer gedruckten Spielanleitung wäre es sehr viel angenehmer, parallel zum Spielgeschehen auf dem Bildschirm die gesuchte Funktion nachzuschlagen und direkt einzusetzen. Eine physische Verkaufsversion von Railway Empire 2 für den PC gibt es aber ohnehin nicht. Sauer aufstoßen lässt uns zudem ein Blick in die bereits erhältlichen Download-Inhalte. Da verscherbelt Publisher Kalypso Media tatsächlich PDF-Dateien mit Inhalten, die es vor zwei Jahrzehnten noch in Handbüchern von Spielen gab. Spielentscheidend mag dieser Umstand nicht sein, steht er aber exemplarisch dafür, was in der Branche schief läuft.

Motivierende Entgleisung

Trotz aller Unkenrufe ist Railway Empire 2 ein motivierendes Spiel. Wir verlieren uns schnell darin, unser Unternehmen aufzubauen. Jeden Spielmonat erhalten wir Forschungspunkte, die wir in neue Erfindungen wie leistungsstärkere Züge oder Lagerhäuser investieren. Letztere helfen uns dabei, unsere Eisenbahnlinien aufzuteilen und Güter kurzfristig in einem Depot unterzubringen. Mit Restaurants bewegen wir Fahrgäste dazu, in einer Stadt umzusteigen. Um Besucher anzulocken, können wir noch besondere Gebäude in Städten errichten. Dort lassen sich ab einer bestimmten Bevölkerungszahl, die von den belieferten Gütern abhängt, auch Betriebe errichten, um noch mehr Geld zu erwirtschaften. Im Gegensatz zum Debüt bietet der zweite Teil einen kooperativen Mehrspielermodus. Dieser lässt sich in der PC-Fassung online aber nur mit Freunden angehen, die sich noch dazu die Finanzen teilen. Warum sich die Entwickler gegen einen kompetitiven Modus entschieden haben, bleibt ein Rätsel. Für uns wäre das ein echtes Highlight gewesen. All das wird mit einem verträumten Soundtrack unterlegt. Visuell reißt Railway Empire 2 hingegen keine Bäume aus, bietet kaum Einstellungsmöglichkeiten und erreicht bei älteren Rechnern trotz erreichter Mindestanforderungen nur eine maue Performance, die im schlimmsten Fall zum Absturz und sogar Fortschrittsverlust führt. Puh!

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Auf Railway Empire 2 habe ich mich im Vorfeld sehr gefreut. Ich mag Züge und ich mag auch den ersten Serienteil aus dem Jahr 2018. Dessen Nachfolger führt das Konzept rigoros fort, bietet aber unterm Strich viel zu wenige Neuerungen. Mir kommt es in manchen Punkten sogar so vor, als würde ich mich durch ein und dasselbe Aufbauspiel klicken. Die seichten Verbesserungen machen das Gameplay zwar noch ein klein wenig besser, doch lassen sich diese Neuerungen an einer Hand abzählen. An manchen Stellen wirkt das Spiel so, als wollten mir die Entwickler noch mehr vom Gleichen und dann doch wieder weniger verkaufen. Beispielsweise sind die Areale gefühlt weitflächiger, doch dann fehlt wiederum die Diversität an Zügen, die beim Seriendebüt nachträglich durch Download-Inhalte erzielt wurde. Wer den ersten Teil kennt, erlebt in der zweiten Episode nicht sehr viel Neues. Noch dazu sollte die Hardware des eigenen Rechners deutlich über den geforderten Mindestanforderungen liegen, da es ansonsten zu zahlreichen Ruckeleinlagen und sogar Abstürzen kommen kann. Railway Empire 2 ist mit den richtigen Voraussetzungen ein gutes Spiel, das sich Fans des Genres angucken sollten. Der erste Teil tut es aber auch.

Vielen Dank an Kalypso Media für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Railway Empire 2!

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