Survival-Horror-Spiele im klassischen 16- oder 32-Bit-Look aus der Vogelperspektive erfreuen sich seit ein paar Jahren großer Beliebtheit. Nach 2Dark aus dem Jahr 2017 möchte auch das Ende 2018 von Entwicklerstudio DYA Games veröffentlichte Viviette an diesem Trend anknüpfen, legt sich mit undurchsichtigen Rätseln und sehr hartnäckigen Bugs allerdings unnötig Steine in den Weg.
Viviette erzählt in Form einer Rückblende die Geschichte einer Freundesgruppe, die auf einer Insel ein mysteriöses Anwesen untersuchen will. Was sie in dem alten Gemäuer eigentlich zu suchen haben, lässt die Erzählung – zumindest anfänglich – offen. Nachdem Hauptfigur Jules eine Begegnung mit einem Geist nur knapp überlebt und seine Gefährten spurlos verschwinden, macht er sich daran, die alte Villa auf eigene Faust zu erkunden. Ausgestattet mit einer alchemistischen Lampe durchstreift er die Räumlichkeiten und Gänge des Herrenhauses, um die Inneneinrichtung genauestens zu untersuchen. Überall liegen Notizen herum, die ansatzweise versuchen, die Hintergrundgeschichte über die eigentlichen Bewohner des Hauses zu erzählen. Nach etwa einem Drittel des Spiels macht Jules des Weiteren die Bekanntschaft mit der titelgebenden Viviette. Um wen es sich dabei genau handelt, soll aus Spoiler-Gründen an dieser Stelle nicht verraten werden. Sicher ist nur, dass Jules die Konfrontation mit Viviette unbedingt meiden sollte, da sie ihn ansonsten mit einem Messer absticht. Auch an weiteren Stellen des Spiels kann Jules den Tod finden, beispielsweise wenn er in die Tiefe oder einen Abgrund gerissen wird. Das klingt im ersten Moment wie eine Mischung aus Alone in the Dark von 1992 und Clock Tower von 1995, spielt sich jedoch wesentlich fortschrittlicher.
Altmodische Rätselkost mit Konsequenzen
Am meisten orientiert sich Viviette jedoch an Resident Evil von 1996, denn überall in der überschaubaren Spielwelt gibt es Hindernisse, die nur durch das Lösen von Rätseln überwunden werden können. Unter anderem müssen Schalter betätigt werden, um Durchgänge freizulegen oder neue Items zu offenbaren. Auch wollen verschiedene Flüssigkeiten in einem Eimer von einem Ort zum anderen transportiert, im wahrsten Sinne des Wortes an einer Uhr gedreht oder Glöckchen aktiviert werden. Nach und nach öffnet sich die Spielwelt und wird so immer größer und verschachtelter. Ist beispielsweise eine bestimmte Türenart verschlossen, so benötigt Jules zum Öffnen einen speziellen Schlüssel, den er für das Lösen eines Rätsels erhält. Es macht tatsächlich viel Spaß, jeden versteckten und auch noch so kleinen Hinweis aufzunehmen und das Herrenhaus zu erkunden. Blöderweise ist die Rätselqualität schwankend, denn während manche Puzzles auf übernatürliche Phänomene zurückzuführen sind, sind andere Knobelaufgaben wie schon in Resident Evil einfach nur künstlich gestaltet. Das heißt, dass einige Rätsel nicht durchschaubar sind und da es keinerlei Hilfestellungen gibt, kann das sehr oft dazu führen, wiederholte Male durch das Haus und über das Anwesen zu schlendern, per Zufall den nächsten Zielort zu finden oder sogar einfach mit purem Glück ein Puzzle zu lösen.
Durchwachsene Qualitätskontrolle
Beim Lösen der Rätsel fällt auf, dass die Entwickler die Qualitätskontrolle am Ende ein wenig haben schleifen lassen. An einer Stelle in der Mitte des Spiels muss zum Beispiel eine Schalterreihenfolge korrekt wiedergegeben werden, damit ein Geheimfach geöffnet wird. Hier kann es sein, dass sich das Fach auch nach wiederholten Versuchen nicht öffnen will, obwohl das Spiel jedes Mal darauf hinweist, dass es nun geöffnet wurde. Das Laden eines etwas älteren Spielstands behebt den Bug zwar, unschön ist dies aber dennoch. Ebenso ärgerlich ist das Rätsel, bei dem drei Raben drei verschiedene Stellen auf dem Friedhof einnehmen müssen, indem sie von einem Grabstein zum nächsten gescheucht werden. Da die Raben nach keinem festen Bewegungsmuster umherflattern und sogar überlappend auf denselben Grabsteinen landen können, werden hier starke Nerven gefordert. Obwohl vielleicht nur ein Rabe seine Position wechseln soll, fliegen beim Belagern eines gemeinsamen Grabsteines meist beide Vögel weg, was die ganze Angelegenheit zu einem zeitaufwendigen Erlebnis macht. Noch ärgerlicher ist hierbei, dass das Puzzle am gleichen Problem wie das bereits genannte Schalterrätsel scheitert, das Lösen des Rätsels nicht akzeptiert und das Weiterspielen vollständig verhindert. Das Laden eines Spielstandes hat das Problem in diesem Falle ebenso nicht gelöst.
Klassisches Korsett
Obwohl an diesen äußerst ärgerlichen Spielfehlern mehr als deutlich wird, dass dem Abenteuer kurzerhand ein Riegel vorgeschoben und das Durchspielen verunmöglicht werden kann, ist Viviette selbstverständlich kein Totalausfall. Sobald sich ein Spielfluss eingestellt hat, ist es extrem motivierend, bei einer von 16-Bit-Spielen beeinflussten Grafik und einem sehr, sehr stimmungsvollen Soundtrack durch das verfluchte Anwesen zu schlendern. Die Animationen sind trotz der düsteren Atmosphäre durchaus putzig gestaltet und passen hervorragend zum restlichen optischen Konstrukt. Auch die sparsam dosierten Soundeffekte sorgen dafür, dass Viviette in seinen Bann zieht, denn wenn ein Spiegel zerbricht, der Wind durchs Haus pfeift und Viviette persönlich durch die Gänge stapft und dabei eklig stöhnt, kann das durchaus das Blut gefrieren lassen. In puncto Steuerung ist neben der Tastatursteuerung unbedingt ein klassischer Controller wie das Buffalo Classic USB Gamepad oder vergleichbare Steuerungseinheiten mit einem Steuerkreuz und mindestens fünf Tasten zu empfehlen, um den Retro-Ansatz des Spiels zu bestärken. Der Xbox-360-Controller reagiert auch nach mehrfachem Neuverbinden überempfindlich und schickt die Spielfigur in der PC-Fassung weiter in eine Richtung, obwohl kein Knopf gedrückt ist. Unterm Strich ist Viviette so ein nettes Survival-Horror-Abenteuer, das vor allem aufgrund nicht ausgemerzter Bugs zu reichlich Frust führen kann.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Bei Survival-Horror-Spielen ist es mehr als nur wichtig, dass sie eine düstere und vor allem in den Bann ziehende Atmosphäre aufbauen. Optisch und akustisch gelingt dies Viviette durchgehend, da viele kleine Details, ein stimmungsvoller Soundtrack und eine sonst sparsam eingesetzte Soundkulisse dafür sorgen, immer tiefer in das Geschehen einzutauchen. Leider hapert es in Viviette aber dennoch an einigen Stellen, wie beispielsweise dem kaum durchschaubaren Rätseldesign. Hin und wieder sind die Lösungen zwar nicht fern, viel Sinn ergeben diese im Kontext aber kaum. Ärgerlicher kann es sein, wenn der nächste Zielort erst einmal gefunden werden muss und sich dieser irgendwo im fast verlassenen Anwesen befindet. Aufgrund fehlender Hilfestellungen ist längeres Umherirren oftmals nicht ausgeschlossen. Der wohl größte Sargnagel für Viviette sind jedoch verschiedene Bugs, denn manche Rätsel sind fehlerhaft programmiert: Sie können sich zwar lösen lassen, aktivieren unter Umständen aber nicht das nächste Ereignis in der Aktionskette. Wer mit diesem hohen Risiko leben kann, kommt in den Genuss eines angenehmen Survival-Horror-Spiels. Alle anderen Interessenten sollten bei Viviette allerdings erst zuschlagen, wenn die Entwickler die negativen Punkte ausgebessert haben.
Vielen Dank für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Viviette!