Review: Miitopia

Nintendo ist durchaus bekannt dafür, hin und wieder Wagnisse mit den hauseigenen Videospielen zu riskieren respektive etwas anders zu machen. Miitopia ist eines dieser Spiele, das uns mit einem lachenden und einem weinenden Auge an den Rand des Wahnsinns treibt.

Seit dem Launch der Wii im Jahr 2006 sind die Miis nicht mehr aus der Nintendo-Welt wegzudenken. Die spärlich animierten Avatare sind auch auf der Switch integraler Bestandteil des Betriebssystems, kommen aber bei Weitem nicht mehr so häufig in Nintendos Videospielen vor. Ihre größten Auftritte dürften die Figuren in der inzwischen eingestellten Smartphone-Applikation Miitomo und den Nintendo-3DS-Spielen Tomodachi Life von 2013 und Miitopia von 2016 haben. Letzteres wurde im Mai 2021 auf der Switch neu aufgelegt, bleibt im Kern aber immer noch der fünf Jahre alte 3DS-Titel. Die Geschichte des Spiels findet im titelgebenden Fantasy-Reich Miitopia statt, das vom dunklen Fürsten bedroht wird. Wir schlüpfen in die Rolle eines Abenteurers und müssen die Welt retten. Das klingt wenig innovativ und das ist es im Grunde auch nicht. Allerdings dürfen wir für den Abenteurer und die Immersion unseren persönlichen Mii auswählen oder einen eigenen Recken dafür kreieren. Hinzu kommt, dass wir beim Erreichen neuer Handlungsplätze wie einer Stadt oder einer Burg auch alle dort anwesenden Bewohner optional ein eigenes Korsett überstülpen dürfen. Selbst dem Bösewicht dürfen wir ein eigenes Gesicht verpassen, wenn wir das wollen. Lediglich bei den Helden, die sich uns im Handlungsverlauf anschließen, müssen wir selbst kreativ tätig werden.

Humorvolles und kreatives Abenteuer

Dieser kreative Einschlag kann je nach Spielertyp überfordern, zumal das Erstellen eines Miis ein paar Minuten Zeit in Anspruch nimmt und aus dem sonst recht flotten Gameplay herausreißt. Allerdings können wir euch vergewissern, dass diese Investition von Zeit unglaublich wichtig ist. So macht es nicht nur optisch einen Unterschied, ob wir Seite an Seite mit unserer besten Freundin oder einer berühmten Persönlichkeit kämpfen. Auch die kurzweiligen Dialoge innerhalb der Heldengruppe können uns ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Der Inhalt der Gespräche hängt maßgeblich davon ab, welche Persönlichkeit wir dem entsprechenden Mii verpasst haben. Wenn unser Held beispielsweise frech an den Tag klotzt, dass er meilenweit gehen kann und unsere Begleiterin anmerkt, dass wir zu enthusiastisch sein, wir daraufhin an ihr echtes Vorbild denken und uns den Dialog in die Realität übertragen vorstellen, ist das unglaublich lustig. Miitopia steht und fällt mit seinem Humor beziehungsweise seiner Umsetzung. Wer schon bei Tomodachi Life die kuriosen Situationen nicht mochte, wird diese auch bei Miitopia nicht akzeptieren. Dennoch könnte es auch schwierig sein, Spaß an Miitopia zu haben, wenn zwar der Humor angenommen wird, das Gameplay jedoch aufgrund seiner eher engstirnigen Mechaniken für Unverständnis und Kopfschütteln sorgt – und das wird es leider.

Kontrollverlust in den Kämpfen

Sobald die Geschichte um gestohlene Gesichter der Miis, die auf Monster übertragen werden, erst einmal ins Rollen gekommen ist, erkunden wir über eine Oberwelt das Reich Miitopia. Wie in New Super Mario Bros. U bewegen wir unsere Gruppe über vorgegebene Pfade zum nächsten Zielort. Sobald wir einen Level betreten, laufen unsere Helden eigenständig los und führen dabei irrwitzige Gespräche. Hin und wieder kommt es zu Zufallsbegegnungen mit diversen Monstern. Eigens hierzu öffnet sich ein Kampfbildschirm, in dem wir unserem Helden rundenweise einen Befehl zuteilen. An dieser Stelle macht Miitopia jedoch einen riesengroßen Fehler, denn im Gegensatz zu den meisten anderen Rollenspielen lassen sich unsere Mitstreiter nicht von uns befehlen. Diese greifen eigenständig an, was mal mehr und mal weniger gut funktioniert. Auffällig ist in jedem Falle, dass sie inflationär mit Magie und Spezialangriffen umgehen – und das in einigen Fällen noch nicht mal besonders gut. Warum unsere Begleiterin beispielsweise einen heftigen Feuerball auf einen Gegner schleudern muss, den wir bis auf ein bis zwei Lebenspunkte runtergeprügelt haben, ist uns schleierhaft. Sobald die Helden Massenangriffe beherrschen und die Gegnergruppen größer ausfallen, sind solche Momente zwar weniger nervig, aber alleine das Fehlen der Befehlsmöglichkeit stößt uns sehr bitter auf.

Eine Nacht im Gasthaus

Immerhin heilen sich die Charaktere in der Regel selbstständig und wir müssen nur selten eingreifen. Kommt es dennoch hart auf hart, stehen uns auch verschiedene Streuer zur Verfügung, um punkteweise Lebensenergie und den Magievorrat aufzufüllen oder gefallene Kameraden ins Reich der Lebenden zurückzuholen. Je mehr gestohlene Gesichter wir von den fiesen Monstern zurückerobern, desto bessere Streuer stehen uns mit der Zeit zur Verfügung. Zudem sei gesagt, dass in der Regel auch nur die Bosskämpfe etwas schwieriger ausfallen. Der Rest des Spielst ist einsteigerfreundlich und fordert nur bedingt, zumal wir alle paar Meter über ein Gasthaus stolpern, in dem unsere Wunden automatisch geheilt und unsere Streuer aufgefüllt werden. Interessant ist jedoch der Aspekt der zwischenmenschlichen Interaktion, denn wir können entscheiden, welche Miis in welchem Zimmer des Gasthauses unterkommen. Wenn zwei Miis in einem Zimmer nächtigen, lernen sie sich besser kennen und steigern mit der Zeit ihre Freundschaftsstufe. Wenn wir die richtigen Tickets gesammelt haben, können wir die Helden auch zusammen ins Kino, an den Strand oder in ein Café schicken, um gemeinsam Zeit zu verbringen und ihre Freundschaft zu vertiefen. Auch hier verzichtet Miitopia keineswegs auf seinen überaus abgedrehten Humor, der uns regelrecht um die Ohren fliegt.

Portierung mit wenigen Neuerungen

Allen voran möchte Miitopia mit Slapstick-Humor überzeugen, der über die Mimik und Gestik der Miis transportiert wird. Aufgrund der spärlichen Animationen gelingt dies der Präsentation nur selten, weshalb ein wenig Fantasie vorausgesetzt wird. Göttlich sind aber die Momente, in denen wir unsere Helden mit Nahrungsmitteln versorgen, die ihre Attribute permanent verbessern. Da kann es vorkommen, dass unsere Begleiter die Nahrungsaufnahme verweigern, wenn ihnen die Mahlzeit nicht schmeckt. Schön ist auch, dass die Ausrüstungsgegenstände an unseren Miis zu erkennen sind. Wenn uns die neue, aber weniger hübsche Rüstung nicht passt, können wir auch nur die Werte übernehmen und ein anders Outfit wählen. Sollten wir Amiibos unser Eigen nennen, dürfen wir uns in Miitopia in vielen Fällen über zusätzliche Outfits freuen. In Zusammenhang mit dem Erscheinungsbild der Miis möchten wir erwähnen, dass es in der Switch-Fassung im Gegensatz zur Ursprungsversion auch noch Perücken und Make-up gibt. Außerdem schließt sich uns ein Pferd an, das die Gruppe unterstützt. Ansonsten halten sich die Neuerungen leider arg in Grenzen. Bedientechnisch gibt es kaum Probleme mit Miitopia, da alle Aktionen erkannt werden. Lediglich die Menüführung und die Tatsache, dass die Befehlsübersicht in den Kämpfen die Hälfte des Bildschirms einnimmt, wären vermeidbar gewesen. So ist Nintendo die Portierung leider nur halb geglückt.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit: Miitopia habe ich auf dem Nintendo 3DS als eines der wenigen Spiele von Nintendo leider nie gezockt. Auf der Switch wollte ich diesen Umstand unbedingt ändern, da mir der abgedrehte Humor von Tomodachi Life ebenso gefällt. Genau hier kann Miitopia auch punkten, denn das Spiel schmeißt meine Miis vielleicht weniger in abstruse Situationen, aber verstrickt sie dafür deutlich mehr in Blödeleien und abgedrehte Dialoge. Für sich genommen macht das noch kein gutes Spiel, aber wenn ich die Miis meinen Freunden nachempfinde, ihnen eine ähnliche Persönlichkeit verpasse und auch noch ihr Aussehen, dann kann dieser Umstand für sehr viele wunderbare Momente sorgen. Allerdings ist das Gameplay von Miitopia äußerst dünn. Im Kern ist der Titel ein Rollenspiel, das mir aber weitgehend die Kontrolle nimmt. So machen die rundenbasierten Kämpfe nur wenig Spaß, da ich fast keine Befehle erteilen kann. Auch das Erkunden der Spielwelt fällt flach, da die Gruppe automatisch einer Linie zum nächsten Ziel folgt und ich nur bei Abzweigungen eingreifen darf. So macht mir das Spiel höchstens zwischendurch bei einer kürzeren Bahnfahrt immer mal wieder Spaß, aber Stunden am Stück kann ich mich nicht mit dem Titel beschäftigen. Wer die 3DS-Version besitzt, muss nicht zwangsweise erneut zugreifen. Dafür gibt es in meinen Augen mit Pferd, Make-up und Perücken zu wenige Neuerungen. Alle anderen greifen eher zur Switch-Fassung.

Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Miitopia!

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