Review: Voice of Cards: The forsaken Maiden

Im Oktober 2021 erschien mit Voice of Cards: The Isle Dragon roars ein Rollenspiel, das auf minimalistische, aber kreative Art und Weise begeistert. Fast vier Monate später veröffentlichte Square Enix den leider weniger guten Nachfolger Voice of Cards: The forsaken Maiden.

Wer den ersten Teil nicht kennt oder nicht gespielt hat, muss keine Sorgen haben. So ähnlich wie bei anderen Videospielreihen der japanischen Rollenspielschmiede Square Enix benötigt ihr für Voice of Cards: The forsaken Maiden keine Vorkenntnisse. Die Geschichte ist eigenständig und setzt auf neue Charaktere. So spielt sich das Geschehen in The forsaken Maiden auf verschiedenen Inseln ab, was wir so ähnlich auch schon von The Legend of Zelda: The Wind Waker kennen. Auf der so genannten Endinsel, dem Heimatort des frei benennbaren Protagonisten Barren, fehlt eine Miko. Das Eiland geht zugrunde. In der nahegelegenen Höhle stolpert Barren zu Beginn seines Abenteuers über die junge Laty, die wohl mal eine Miko werden sollte. Aus zunächst nicht bekannten Gründen ist das Unterfangen schiefgegangen, sodass sie sich auch nicht in Dorf Termina traut. Da sie nicht sprechen kann und die Kommunikation mit Händen und Füßen so tiefgründig greift, beschließen wir fürs Erste, mit ihr in den Geisterturm zu gehen. Bei diesem Gemäuer handelt es sich um den zentralen Punkt der Endinsel, den wir im Handlungsverlauf mehrere Male aufsuchen müssen. Vom Naturgeist Rakki erfahren wir, dass Laty immer noch eine Miko werden kann. Dazu muss sie aber die Reliquien vier anderer Miko zum Turm bringen. Es beginnt eine Reise von einer Insel zur anderen.

Wiedersehen mit bekannten Ideen

Bis auf eine Stelle ist die Geschichte von The forsaken Maiden schlicht linear. Mit einem Boot schippern wir übers Meer zur nächsten und zum jeweiligen Zeitpunkt meist einzig verfügbaren Insel. Dort beginnt auf Wunsch der nächste Handlungsstrang. Es gibt zwar auch Nebenquests und teilweise Entscheidungen, die wir treffen müssen, doch sind diese größtenteils nicht von Belang. Wie The Isle Dragon roars setzt auch The forsaken Maiden auf einen alleinigen Erzähler, der die Geschichte vorantreibt. Stilistisch besteht die ganze Spielwelt aus Karten, die Dorfbewohner, Monster, Gebäude, Umgebungen und Co visualisieren. Auch in puncto Gameplay knüpft das Rollenspiel von Entwicklerstudio Alim an den Vorgänger an. So setzt der Titel auf eine Mischung aus Erkundung der Spielwelt inklusive Dungeons, dem Vorantreiben der Story in Dörfern, Städten und Schlössern mittels ernster und lustiger Dialoge und nicht zuletzt rundenbasierten Kämpfe. Im Grunde wäre es unserer Meinung nach kaum möglich, qualitativ nicht allzu weit vom Vorgänger zu landen. Allerdings zeigt sich im Test, dass die viel zu kurze Entwicklungszeit in vielerlei Hinsicht zum schlechteren Gesamtbild führt. Sowohl die Story und die Charakterentwicklung als auch die Kämpfe und das Spieltempo fühlen sich durchweg nicht rund an und kämpfen regelrecht mit Kinderkrankheiten.

Schnell bröckelnde Fassade

Problematisch ist an dieser Stelle, dass es in The forsaken Maiden hier und da tatsächlich Lichtblicke gibt, die aber nie wirklich lange halten. Beispielsweise schippern wir in der Inselwelt meistens nur mit Barren, Laty und Rakki über den Ozean. Alle drei Spielfiguren können mit im Kampf erlangten Erfahrungspunkten aufsteigen. So weit, so gut. Laty kann jedoch ihre Waffe nicht wechseln, was storybedingt aber zumindest erklärt wird. Rakki als Naturgeist können wir hingegen keine Ausrüstung zuweisen. Treffen wir auf den Inseln auf die anderen Charaktere, wird Rakki unverzüglich durch diese beiden Figuren ersetzt und nimmt in dieser Zeit auch nicht an Kämpfen teil. Die jeweils beiden neuen Helden begleiten uns jedoch nur während des Kapitels, erhalten aber auch während der Kämpfe keine Erfahrungspunkte und lernen auch keine neuen Fähigkeiten, die wir im Menü auswechseln dürfen. Zudem können wir sie nur mit Ringen ausrüsten, die Kleidung und die Waffe sind strikt vorgegeben. Bis zum Ende treffen wir diese Figuren immer mal wieder und auch wenn sie im Hintergrund das eine oder andere Level-up spendiert bekommen haben, bleiben sie meistens doch zu schwach. Vor allem gibt es zum Ende einen Kampf, in dem Barren und Laty gar nicht teilnehmen. In diesem Kampf gehen dutzende Items drauf, weil die Nebenfiguren standardmäßig zu schwach sind.

Leichte bis starke Balancing-Probleme

Dennoch ist nicht alles schlecht in The forsaken Maiden, denn die Kämpfe fühlen sich zumindest häufig intensiver an als im ersten Teil. Das liegt daran, dass jetzt vier Helden am Kampf teilnehmen und es zudem mächtige Team-Angriffe wie in Chrono Trigger oder I am Setsuna gibt. Für letztere sind deutlich mehr Juwelen notwendig, die wir jede Runde erhalten oder selbst generieren dürfen und für den Einsatz der meisten Fähigkeiten notwendig sind. Je nachdem gegen welche fiesen Monster wir kämpfen und welche Begleiter neben uns agieren, schwankt der Schwierigkeitsgrad zwischen Kindergarten und Schützengraben. In manchen Auseinandersetzungen gibt es heftige Balancing-Probleme. Trotz nahezu voller Lebensenergie bei allen Kämpfern kann es sogar vorkommen, dass wir innerhalb einer Runde vollständig vernichtet werden, wenn alle Gegner direkt hintereinander angreifen. Es ist kaum vorstellbar, dass irgendeiner der Entwickler zufrieden mit der Qualitätssicherung sein dürfte. Ein anderes Beispiel: Direkt zu Beginn des Spiels können wir uns einen Speer zulegen, der jedoch mit achttausend Goldmünzen außerhalb unserer finanziellen Reichweite liegt. Günstigere Waffen bieten kaum einen Mehrwert. Haben wir dann nach vier bis fünf Stunden das Geld beisammen, pulverisieren wir erst einmal mit Massenangriffen sämtliche Gegnerhorden. Ach herrjemine!

Enttäuschende Fortsetzung

Genau wie beim Vorgänger müssen wir auch bei The forsaken Maiden die Bedienung kritisieren. Zwar spielen sich die Kämpfe mit Maus und Tastatur sehr intuitiv, aber gerade das seitliche Scrollen zum nächsten Item kann zur Tortur werden. Die Menüstrukturen sind unnötig verschachtelt und verkomplizieren die Orientierung erheblich. Jedweder Kenner des ersten Teils dürfte sich problemlos zurechtfinden, aber zugleich mit dem Kopf schütteln. Audiovisuell weiß der Titel zu gefallen, auch wenn viele Grafiken und Melodien recycelt wurden. Die virtuellen Karten sind mit teils wunderschönen Motiven bedruckt. Dadurch, dass es auch ein paar neue Gegner und Fähigkeiten gibt, weht zumindest eine frische Böe. Für einen vollwertigen Nachfolger ist das aber zu wenig. Beim englischen Erzähler Mark Atherlay kommen zudem nicht ansatzweise die Vibes von Todd Haberkorn aus dem ersten Teil rüber. Viel zu sehr klingt Atherlay wie ein übermotivierter Werbesprecher. Wir empfehlen klar den japanischen Sprecher Ōhama Yasushi respektive Hayami Shō. Fraglich ist auch, warum das höhere Spieltempo Soundeffekte verschlingt. Noch dazu ist es nervig, bei jedem Start die Geschwindigkeit im Menü zu erhöhen. Aufgrund der vielen Zufallskämpfe würden wir euch letzteres empfehlen, sofern ihr trotz aller Defizite noch Interesse am Spiel habt. Die melancholische Story hat Höhen und Tiefen, aber kaum Überraschungen. The forsaken Maiden bietet einfach zu wenig.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Voice of Cards: The Isle Dragon roars bleibt für mich einer der Titel, der wie aus dem Nichts kam und mich von der ersten Minute an gefesselt hat. Story, Gameplay und Design haben wunderbar zusammengepasst. Umso gespannter war ich auf die Fortsetzung. Leider kommt Voice of Cards: The forsaken Maiden nicht einmal ansatzweise an den Vorgänger heran. Storytechnisch bleibt das Spiel eher dünn und wenn überhaupt sind nur die Nebenfiguren interessant. Das Schicksal von Laty ist vorhersehbar, weshalb sich die Geschichte für mich in die Länge gezogen anfühlt. Auch in puncto Gameplay kann das Rollenspiel aufgrund teils heftiger Balancing-Probleme und eingeschränkten Möglichkeiten bei der Charakterentwicklung nicht punkten. In audiovisueller Hinsicht ruht sich der Titel zu sehr auf seinen Lorbeeren aus und bietet nur wenige neue Melodien und Grafiken, die aber nach wie vor schön anzusehen oder anzuhören sind. Zwischendurch bietet der Titel ein paar Höhen, die aber aufgrund fragwürdiger Designentscheidungen nicht sehr lange anhalten. Kaum habe ich mich an einen neuen Begleiter trotz fehlender Level-up-Möglichkeit gewöhnt, verschwindet er auch schon wieder. Das geht deutlich besser, was aber auch Publisher Square Enix, Entwicklerstudio Alim und jeder Rollenspieler wissen dürfte.

Vielen Dank an Square Enix für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Voice of Cards: The forsaken Maiden!

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