1987 veröffentlichte Square Enix in Japan eines der bedeutendsten Rollenspiele aller Zeiten. Mit dem im März 2022 erschienenen Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin besinnt sich der Publisher an die Anfänge – allerdings auf ungeahnte und nicht immer gute Art und Weise.
Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin ist ein überaus merkwürdiges Spiel. Alleine schon wie die Geschichte beginnt, ist alles andere als leicht verständlich. Zunächst sehen wir eine dunkle Gestalt, die durch die Gemäuer eines Schlosses streift und der Reihe nach Soldaten abmetzelt. Anschließend befinden wir uns mit drei der fünf Helden des Spiels inmitten eines Kampfes gegen die Kreatur Tiamat. Danach wandert Jack, der Protagonist des Spiels, über eine schier endlose Blumenwiese. Dabei trällert Francis Albert „Frank“ Sinatras Song „My Way“ von 1968 aus den Lautsprechern, endet aber ulkigerweise noch vor dem Refrain. Im Anschluss können wir in einem Tutorial endlich die ersten Kniffe erlernen, die uns auf der bevorstehenden Reise noch nützlich sein werden. Nach Abschluss der Übungen befinden wir uns vor den Mauern der Stadt Cornelia und treffen auf zwei Begleiter, mit denen wir uns in der nächsten Szene plötzlich auf einem Schiff befinden, bevor wir uns im Thronsaal des Schlosses von Cornelia wiederfinden. Dort erhalten wir schließlich den Auftrag, zum nahen Tempel aufzubrechen und den ominösen Chaos aufzuhalten, der für alle Naturkatastrophen verantwortlich gemacht wird. Was sich die Drehbuchautoren von Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin dabei gedacht haben, wollen wir lieber nicht wissen. Es fühlt sich falsch an.
Magere Handlung und obsoletes Drumherum
Zum Glück definiert sich ein Spiel nicht nur über seine Geschichte. Dennoch ist es schade, dass dieses für ein Action-Rollenspiel wichtige Kriterium derart mit Füßen getreten wird. Erst im letzten Spieldrittel kann die Handlung mit ein paar interessanten Wendungen punkten, die aber vermutlich nur Kenner des ersten Serienteils der Hauptreihe richtig einordnen können. Trotz allem ist die Geschichte sehr konfus und damit ein Umstand, der mit ein wenig Mühe problemlos vermeidbar gewesen wäre. Haben wir endlich die erste halbe Stunde von Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin überstanden, finden wir uns auf einer Weltkarte wieder, von wo aus wir per Cursor das nächste Ziel auswählen. Außerdem haben wir hier die Option, unsere Waffen beim Schmied zu verbessern, unsere Charaktere auszurüsten, unsere Jobs zu verwalten und uns mit den Bewohnern von Cornelia zu unterhalten. Vieles von dem ist aber grundsätzlich obsolet, was nicht gerade für eine Qualitätskontrolle steht. Zum Beispiel erzählen die Bewohner von Cornelia durchweg Nonsens, der gar keinen Funken Mehrwert bietet. Waffen und Rüstungen erneuern wir ohnehin beim Besuch eines einzelnen Dungeons derart oft, dass wir sie überhaupt nicht verbessern müssen. Lediglich das Zerlegen von gesammelten Waffen und Rüstungen ist notwendig, damit wir etwas Platz in unserem Inventar schaffen.
Schnelles und dynamisches Gameplay
Anhand solch weniger durchdachten Mechaniken ist es ein Wunder, dass wir an Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin so etwas wie Spaß haben können. Über bereits erwähnte und ähnliche Lappalien können wir hinwegsehen, sobald wir einen Dungeon betreten haben und uns mit den typischen Monstern des Franchises anlegen. Mit Großschwertern, Katana, Stäben und den blanken Fäusten schnetzeln wir uns durch die Feinde. Auch der Einsatz von Magie oder Shuriken ist je nach gewähltem Job möglich. Das Spiel ist aber recht vage an Spiele wie Demon’s Souls angelehnt, weshalb der Schwierigkeitsgrad höher als bei vergleichbaren Titeln ausfällt. Wir müssen Angriffe abwehren oder den uns zugefügten Schaden im besten Falle mit unserem Seelenschild negieren. Oftmals lassen sich die Attacken des Feindes so auch kopieren und zurückschleudern, was dem Spiel eine ganz eigene Dynamik verpasst. Ganz so heftig wie die erwähnte Konkurrent von Entwicklerstudio From Software ist Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin aber nicht. Wer dennoch kein Land sieht, kann den Schwierigkeitsgrad außerhalb der Missionen jederzeit senken. Dadurch ist das Spiel in vielen Momenten aber anspruchslos. Da die Story absolut nicht der Rede wert ist, sehen wir aber keinen Grund, den Schwierigkeitsgrad zum Erleben der Geschichte zu reduzieren. Viel verpasst ihr da eh nicht.
Durchdachtes Kampfsystem
Im Gegensatz zu anderen Rollenspielen trainieren wir nicht unsere fünf Helden, von denen maximal drei aktiv in unserer Gruppe sein können, sondern unsere Jobs respektive Klassen. Level-ups sind relativ schnell mit dem Verkloppen von genügend Monstern erkauft. Jeder Stufenaufstieg bringt auch Fertigkeitspunkte mit sich, mit denen wir neue Angriffe oder Verbesserungen freischalten können. Ausschlaggebend dafür, wie stark oder wie schwach wir sind, hängt maßgeblich von den angelegten Ausrüstungsgegenständen ab. Diese erhöhen unsere Attribute und können auch die Boni der Jobs wie Dunkelritter, Dragoon, Weißmagier oder Samurai in die Hände spielen. Zwischen zwei Jobs können wir übrigens jederzeit auf Knopfdruck wechseln, wodurch wir uns immer auf die jeweilige Situation einstellen können. Mit der Zeit fällt auf, dass bestimmte Jobs viel mächtiger sind als andere. Beispielsweise können wir als Weiser sowohl uns und unsere Kameraden heilen als auch im Fernkampf Monster mit Magie zu bearbeiten. Jede Aktion hängt mit dem Einsatz von Magiepunkten zusammen. Um diese aufzufüllen, müssen wir gegnerische Angriffe blocken. In diesem Aspekt spielen die Gameplay-Mechaniken von Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin ausnahmsweise gut zusammen. So schnell langweilig wird uns das Kampfsystem des Spiels jedenfalls nicht.
Krampf mit der Bedienung
Trotz allem hat das Spiel auch beim Gameplay mit ein paar Problemen zu kämpfen, die im Jahr 2022 nicht mehr sein dürften. Beispielsweise können Gegner ihre Attacken verketten. Wenn uns ein Feind umwirft und wir möglichst schnell wieder auf die Beine kommen wollen, um aus der brenzligen Situation zu entkommen, kann derselbe Gegner währenddessen mit einem weiteren Angriff ansetzen. Problematischer und unübersichtlicher wird es, wenn gleich mehrere Gegner uns attackieren. In solchen Momenten haben wir keine Chance, was schließlich zu viel zu vielen Bildschirmtoden führt. Noch dazu ist die Kameraperspektive keineswegs perfekt, sodass auch Gegner von hinten uns den Todesstoß versetzen können. Da hilft es auch nicht viel, einen Gegner anzuvisieren, wenn das Durchwechseln zu anderen Feinden vor allem bei einem Gerangel alles andere als angenehm funktioniert. Auch dass die Lock-on-Funktion gerne mal aussetzt, wenn uns ein Gegner zu Boden wirft, wäre vermeidbar gewesen. Wir könnten immer so weiter machen, denn die Liste der Bedienungsprobleme von Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin ist sehr lang. Ärgerlich ist das alles deshalb, da das Entwicklerstudio Team Ninja im Jahr 2017 mit Nioh eines der besten Soulslike-Spiele geschaffen hat. Mit Bedauern stellen wir fest, dass das Entwicklerstudio seitdem wohl vieles verlernt hat.
Action-Rollenspiel ohne Mehrwert
Auffällig ist ebenfalls, dass die künstliche Intelligenz der Computergegner viel zu aggressiv ist. Anstatt die Angriffe sinnvoll auf die Gruppe zu verteilen, greifen fast alle Monster direkt unseren Helden Jack an. Wenn direkt vier Gegner auf uns losstürmen, während unsere beiden Kollegen jeweils nur mit einem Feind zu kämpfen haben, ist das nicht nur unfair, sondern auch unglaubwürdig. Hinzu kommt, dass unsere Gefährten ihr Ziel mitten in einem Kampf auch schon mal wechseln. Ihnen Befehle geben können wir kaum. Lediglich ein Befehl zum vermehrten Einsatz von Spezialfähigkeiten ist in Stranger or Paradise: Final Fantasy Origin möglich. Abgesehen vom stellenweise veralteten Gameplay erinnert auch das eigentliche Design des Spiels stark an Videospiele der späten 2000er-Jahre. Zwar sind die Dungeons visuell sehr abwechslungsreich, doch fällt der schlauchartige Aufbau schon beim zweiten Verlies negativ auf. Akustisch kann das Abenteuer mit Ausnahme weniger Totalausfälle vor allem mit Remixes älterer Final-Fantasy-Spiele punkten. Die japanische Synchronisation passt zum Geschehen, auch wenn die Dialoge genau wie die Story enttäuschen. Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, denn trotz ein paar weniger guter Einfälle bietet Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin keinen wirklichen Kaufgrund – und das ist wirklich sehr schade. Die Marke und das Soulslike-Genre würden so gut harmonieren; sie tun es aber leider nicht.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der PlayStation-5-Fassung): Seit seiner Ankündigung habe ich den Titel Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin im Auge behalten. Schon vor Release hat sich abgezeichnet, dass Square Enix und Team Ninja wohl nicht der große Wurf gelingen wird. So ist es leider auch gekommen. Die Story, so interessant sie zum Ende auch wird, ist in meinen Augen katastrophal schlecht und noch dazu unschön lückenhaft erzählt. Hinzu kommen derart dünne und zum Teil sogar dümmliche Dialoge, sodass das fertige Produkt so wirkt, dass den Drehbuchautoren wohl einfach alles außer schnell die Arbeit zu beenden egal war. Hinzu kommen so viele unnötige Mechaniken, die einfach nicht zu Ende gedacht sind. Ich finde in den Dungeons einfach hunderte und somit schlicht zu viele Waffen und Rüstungen, als dass ich mich intensiv mit diesen auseinandersetzen würde. Auch dass ich die Ausrüstungsgegenstände verbessern kann, juckt mich wenig, wenn die Unterschiede zu marginal sind und ich den Gegenstand bald eh aussortieren werde. Auch wenn mir die Kämpfe im Kern gefallen, da hier alle Gameplay-Mechaniken wunderbar ineinandergreifen, kann ich nicht verstehen, warum die künstliche Intelligenz am Rande der Existenznot agiert und die Bedienung deutliche Mängel aufweist, die schon vor 15 Jahren nicht tragbar waren. Obwohl die Entwickler mit Nioh bereits ein ähnliches und deutlich besseres Spiel erschaffen haben, sehe ich von ihren Vorkenntnissen hier kaum etwas. Vielleicht bekommen wir tatsächlich eines Tages noch ein gutes und vor allem richtiges Soulslike-Spiel im Final-Fantasy-Universum. Ich würde es mir auf jeden Fall wünschen. Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin ist dieses Werk unterm Strich leider nicht geworden. Wer es nicht spielt, hat auch nichts verpasst.
Vielen Dank an Square Enix für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin!