Review: Yomawari: Lost in the Dark

Bereits im April 2022 erschien Yomawari: Lost in the Dark für die Nintendo Switch und die PlayStation 4. Ende Oktober erreichte der mittlerweile dritte Serienteil auch die europäischen Gefilde und wurde im selben Atemzug auch auf den PC für alle Konsolenabstinenzler portiert.

Mitte der 2010er-Jahre überraschten Yomawari: Night Alone und dessen Nachfolger Yomawari: Midnight Shadows mit ihrem unkonventionellen Gameplay. Beide Spiele haben zwar so ihre Problemchen, aber in puncto Atmosphäre spielen sie im Survival-Horror-Genre in der obersten Liga. Lost in the Dark fällt in die exakt gleiche Kerbe. Soll heißen, dass das Spiel mit seiner Stimmung durchaus mitreißt, aber mit diversen Gameplay-Mechaniken gehörig zur Weißglut treibt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht abermals ein kleines Mädchen. Yuzu, so der Name der Grundschülerin, wird von ihren Mitschülern drangsaliert. In den ersten Minuten zeichnet sich schnell ein Bild des Mobbingopfers ab, das womöglich zum Suizid getrieben wird. Das Survival-Horror-Spiel beschäftigt sich entsprechend mit wichtigen Themen, die in unserer Gesellschaft existieren, oder deutet diese zumindest an. Allgemein bleibt Lost in the Dark bis zum Epilog weitgehend kryptisch. Nach einem vermeintlichen Sprung vom Dach wachen wir in einem mysteriösen Wald auf, werden von einer ominösen Gottheit verflucht und müssen versuchen, den Fluch bis zum Anbruch des Tages zu brechen. Noch dazu wird Yuzu plötzlich von einem Gedächtnisverlust geplagt, was die Angelegenheit verkompliziert. Dennoch nehmen wir unseren Mut zusammen und machen uns erneut auf in die lange Nacht.

Alleine durch die Nacht

Beim Gameplay orientiert sich der Titel sehr stark an seinen beiden Vorgängern. Wer diese bereits gespielt hat, wird kaum bis gar nichts Neues erleben. Aus einer isometrischen Kameraperspektive erkunden wir eine japanische Kleinstadt, die in den ersten zwei bis drei Stunden recht eingeschränkt ist. Sobald wir jedoch Gegenstände finden, die die Erinnerungen von Yuzu teilweise wiederherstellen, öffnet sich das Setting mehr und mehr. So lässt sich ein Großteil der Aufgaben in unterschiedlicher Reihenfolge erledigen. Das freie Erkunden macht dabei sehr viel Spaß. Als Handlungsorte halten unter anderem ein Friedhof, ein Bambushain, eine Schule und ein Geisterschiff her. Im Grunde also alle Orte, die in der Populärkultur in Bezug auf das Horror-Genre bekannt sind. Zwischendurch tauchen Obake auf, sprich Yōkai und Yūrei, die uns das Vorankommen erschweren. Allerdings verzichtet Lost in the Dark genauso wie seine beiden Vorgänger nahezu vollständig auf Kämpfe. Soll heißen, dass wir die Beine in die Hand nehmen und uns vor den Geistern und Dämonen tunlichst versteckten sollten. Kommen wir nicht umher, uns an einem Gegner vorbeizuschleichen, halten wir uns über die Schultertasten des Controllers einfach beide Augen zu. Dann wird der Bildschirm zwar fast schwarz, aber der Spuk um uns herum lässt sich dank roter Silhouetten immer noch orten.

Formelhaftes Abenteuer mit Defiziten

Erwischt uns in Lost in the Dark dennoch ein Monster, werden wir zerfleischt und dürfen uns von der letzten Jizō-Statue, die wir aktiviert haben, wieder ins Getümmel mischen. Zwar verlieren wir keinen Fortschritt im Sinne von Collectibles, müssen aber immer wieder nervige Laufwege in Kauf nehmen. Es ist ärgerlich, dass die Entwickler nichts aus der Kritik an den ersten beiden Teilen gelernt haben. So gibt es etliche Versuch-und-Irrtum-Momente, die uns minutenlange Abfolgen wiederholen lassen. Viel zu oft kommt es vor, dass wir den Controller respektive die Switch an die Wand pfeffern wollen. Auch dass Lost in the Dark gegen Ende Gebrauch von den Gyrosensoren macht, die besonders in brenzligen Situationen nicht zuverlässig genug funktionieren, ist ein Ärgernis. Hinzu kommt, dass das circa zehn Stunden lange Abenteuer mit Antworten geizt und uns im Finale die Erinnerungen von Yuzu doppelt und dreifach erleben lässt. So atmosphärisch das Survival-Horror-Spiel von Nippon Ichi Software mit seiner Soundkulisse, die vor allem auf fantastische Umgebungsgeräusche setzt, und dem Anime-Stil auch ist, so wenig überzeugen Spieldesign und Erzähltempo. Zu selten traut sich Lost in the Dark von seiner Formel abzuweichen. Will Nippon Ichi Software an der Reihe in Zukunft festhalten, müssen die Entwickler sie neu erfinden – oder sie wird zugrunde gehen.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der Nintendo-Switch-Fassung): Schon Yomawari: Night Alone aus dem Jahr 2015 hatte so seine Defizite. Dessen 2017 veröffentlichter Nachfolger Yomawari: Midnight Shadows hat diese Probleme nicht lösen können. Fünf Jahre hatten die Entwickler Zeit, sich Gedanken zu machen, wie sie die Reihe fortführen könnten. Leider haben sich die Entwickler von Yomawari: Lost in the Dark viel zu sehr auf ihren Lorbeeren in Bezug auf die Gruselatmosphäre ausgeruht. Natürlich gefriert mir nach wie vor das Blut in den Adern, wenn ich mitten in der Nacht durch die Straßen der japanischen Kleinstadt des Spiels schlendere und allen Ecken und Enden das Gejaule und Schlurfen von Geistern und Monstern zu hören ist. Auch dass ich mich hilflos und isoliert fühle, gelingt den Entwicklern mit Bravour. Das alles nützt mir aber nichts, da es etliche Versuch-und-Irrtum-Szenen gibt, in denen ich minutenlange Abfolgen wiederholen muss, bis mir endlich der entscheidende Schritt beim elften oder zwölften Mal gelingt. Da das Gameplay fast nur aus Verstecken und Weglaufen besteht, lässt mich das nur den Kopf schütteln. Zu selten traut sich das Spiel neue Wege zu gehen. So zieht sich die Spielzeit gefühlt unendlich in die Länge. Hinzu kommt, dass die Story erst zum Ende hin wirklich Antworten liefert und alles davor selbst als Appetithäppchen nicht wirklich funktioniert. Nur die allergrößten Fans der Reihe sollten bei diesem Spiel zugreifen. Wer einfach nur einen Blick riskieren will, fährt mit dem ersten Serienteil definitiv besser.

Vielen Dank an NIS America für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Yomawari: Lost in the Dark!

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