Review: Voice of Cards: The Beast of Burden

Kaum eine Videospielserie und vor allem kein neues Franchise schafft es binnen eines Jahres gleich drei Einträge einer Reihe zu etablieren. Dieser Spagat gelang Publisher Square Enix mit Voice of Cards: The Beast of Burden, der bereits der dritte Serienteil der jungen Reihe ist.

Nachdem Square Enix mit Voice of Cards: The Isle Dragon roars im Oktober 2021 einen Überraschungshit landete, folgte bereits im Februar 2022 mit Voice of Cards: The forsaken Maiden der zweite Serienteil. Letzterer enttäuschte jedoch mit seiner allgemeinen Spielstruktur, der holprig erzählten Handlung und dem viel zu hohen Schwierigkeitsgrad. Zum Glück haben sich die Köpfe bei Entwicklerstudio Alim die Kritik zu Herzen genommen und an der dritten Episode deutlich länger geschraubt. Herausgekommen ist der vermutlich beste Teil der Reihe. Obwohl die Handlung von Voice of Cards: The Beast of Burden recht unscheinbar beginnt, punktet sie mit intelligent geschriebenen Charakteren und dem einen oder anderen packenden Storytwist. Insbesondere das letzte der insgesamt sieben Kapitel zeigt, wie tiefgründig japanische Rollenspiele werden können. Auf dem Weg dorthin schlüpfen wir in die Haut der unerfahrenen Heldin Alphe, die zum Tiefenvolk gehört. Sie muss ihr Dorf unter der Erde vor angreifenden Monstern beschützen. Der Auftakt des Abenteuers endet tragisch mit dem Verlust aller Bezugspersonen von Alphe. Sie folgt dem mysteriösen Krieger Lugor hinaus in die Welt und lernt die Freiheit kennen. Außerdem erfährt sie, dass Angehörige des Tiefenvolks Monster beschwören können, womit sie zum Spielball der großen Mächte wird.

Individuelles und großartiges Fähigkeiten-Management

Genau in diesem Punkt bringt Voice of Cards: The Beast of Burden frischen Wind ins Spiel. Wenn wir aus den rundenbasierten Kämpfen als Sieger hervorgehen, besteht wie schon in den ersten beiden Serienteilen die Möglichkeit, dass wir aus einer von drei Schatztruhen unsere Belohnung auswählen dürfen. Neben wertvollen Gegenständen können wir diesmal auch die Fähigkeiten der besiegten Monster erhalten. So lernen Alphe und ihre Verbündeten, zu denen neben Lugor auch der Gelehrte Errimus und die Monster-Mensch-Hybridin Tralis gehören, nur bedingt neue Skills per Stufenaufstieg kennen. Stattdessen können wir die von den Monstern erhaltenen Fähigkeiten im Menü ähnlich wie in Pokémon: Strahlender Diamant & Leuchtende Perle selektieren und unseren vier Recken zuordnen – nur eben noch freier, was sehr angenehm auffällt. So können wir unsere Gruppe unserem Geschmack entsprechend zurechtschustern und immer wieder aufs Neue personalisieren. Wir entscheiden damit selbst, welche Spielfigur wir als Heiler auserwählen oder welcher Held Flächenschaden anrichtet. Das Experimentieren und Aktualisieren der Fähigkeiten macht durchaus Spaß. Da die meisten Kämpfe wunderbar von der Hand gehen und das Spiel uns vor allem ab etwa der Hälfte bis kurz vor Ende des Spiels mit Erfahrungspunkten überschüttet, gehen wir keinem Kampf aus dem Weg.

Stimmungsvolles Spieldesign

Wie schon die beiden Vorgänger setzt auch Voice of Cards: The Beast of Burden auf das einzigartige Erscheinungsbild. Nahezu alle Elemente der Spielwelt bestehen aus Spielkarten, die jeweils ein Motiv zeigen. Neben Straßen, Feldern, Bergen und Städten werden so auch Nicht-Spieler-Charaktere dargestellt. Findet ein Dialog statt, wird einfach eine Karte in den Vordergrund gerückt, auf dem das Gespräch zu sehen ist – inklusive Erzähltext, der von der Spielleiterin vorgelesen wird. Ihr müsst euch vorstellen, dass ihr dieses Rollenspiel quasi im Spiel spielt. So liegen alle Spielkarten auf einem Holztisch und wenn der Ort gewechselt wird, dann werden binnen weniger Sekunden die Spielkarten auf dem Tisch ausgetauscht. Sobald es zu einem rundenbasierten Zufallskampf kommt, wird stattdessen ein Tablett auf den Tisch gelegt, wo alle Akteure einzelne Karten bilden und wir bei einem unserer Züge quasi wie beim Pokern unser Blatt begutachten – mit dem Unterschied, dass wir keine Buben, Damen oder Könige ausspielen, sondern die Skills. Je nach Fähigkeit wird eine bestimmte Anzahl an Edelsteinen fällig. Wie viele wir haben, können wir oben links auf dem Bildschirm in der abgebildeten Schatulle erkennen. Selbst zählen heißt hier die Devise, doch da das Maximum bei zehn Juwelen liegt, ist das für uns alles andere als schwierig und noch dazu richtig stimmungsvoll.

Gelungenes Gesamtbild mit Schönheitsfehlern

Grundsätzlich ist das alles sehr atmosphärisch und wer noch keinen Serienteil gespielt hat, wird sich sofort in den fantasievollen Grafikstil verlieben. Habt ihr aber bereits die beiden Vorgänger gespielt, kommen euch so gut wie alle Charakter- und Monsterkarten bekannt vor. Hier hat Entwicklerstudio Alim tatsächlich am falschen Ende gespart. So wirkt es fast so, als wären alle drei Spiele auf einmal entwickelt und nur zeitversetzt veröffentlicht worden. Das tut der guten Spielbarkeit aber keinen Abbruch. Bis auf die immer noch genauso verschachtelte Menüführung können wir Voice of Cards: The Beast of Burden per Maus und gelegentlich per Bewegungs- und Pfeiltasten auf der Tastatur hervorragend spielen. Per Controller funktioniert der Titel weniger gut. Es ist schade, dass gerade an diesen beiden Kritikpunkten nicht gefeilt wurde. Auch bei der je nach Spielsituation entspannenden oder adrenalingeladenen Musik hat sich nicht viel getan. So klingt das Spiel sehr wie die Vorgänger, was auch daran liegt, dass auch hier einzelne Stücke in die Recyclingtonne geworfen wurden. Positiv fällt im Gegensatz zum Vorgänger die Erzählerin auf. Im Englischen gelingt es Carin Gilfry ein Großteil der Situationen charmant mit ihrer Stimme zu unterlegen. Ishikawa Yui, die Anime-Fans als japanische Stimme von Mikasa Ackermann aus Attack on Titan kennen, macht diesen Job sogar noch besser. Fünfzehn bis zwanzig Stunden lang werden unsere Ohren super verwöhnt.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Voice of Cards: The Isle Dragon roars hat mich im Jahr 2021 nachhaltig geprägt. Umso mehr habe ich mich darüber gefreut, dass der zweite Serienteil bereits im Februar 2022 erschien – und damit ist Entwicklerstudio Alim ordentlich auf die Nase geflogen. In Voice of Cards: The Beast of Burden sind zum Glück die meisten Fehler des Vorgängers ausgebügelt worden. Für mich ist die dritte Episode sogar der bisher beste Teil der Reihe. So ist die Story spannend, bietet einige Wendungen und ist an manchen Stellen richtig tiefgründig. Darüber hinaus lässt sich das Rollenspiel gut spielen, da ich meine Charaktere genau so individualisieren kann, wie ich das auch möchte. Eine ähnlich tiefgründige Spielmechanik bietet höchstens die Pokémon-Reihe und vor dieser muss sich Voice of Cards: Beast of Burden wahrhaftig nicht verstecken. Lediglich dass die Entwickler auf viel zu viele Grafik- und Soundelemente der beiden Vorgänger zurückgreifen, ist überaus fraglich. So habe ich ständig das Gefühl, dass ich trotz des hübschen Zusammenspiels beider Ebenen, alles schon einmal irgendwo gesehen oder gehört habe. Auch dass die verflixte Menüführung mir zum dritten Mal ins Auge springt, ist eine Frechheit. All das sind aber Schönheitsfehler auf einem sonst makellosen Spiel. Da es keine wirklichen Bezugpunkte zu den beiden Vorgängern gibt, könnt ihr bei Interesse auch direkt mit dem dritten Teil loslegen. An Voice of Cards: The Beast of Burden werde ich mich lange erinnern und ihr sicherlich auch.

Vielen Dank an Square Enix für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Voice of Cards: The Beast of Burden!

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