Review: Crash Bandicoot 4: It’s about Time

Zwischen 1996 und 2010 erfreut sich das Crash-Bandicoot-Franchise großer Beliebtheit auf etlichen Plattformen. Danach wurde es still um die Marke, doch wird ihr seit 2017 von Publisher Activision neues Leben eingehaucht. Mit Crash Bandicoot 4: It’s about Time erschien im Oktober 2020 ein weiterer Hauptteil. Im März 2021 folgte die PlayStation-5-Fassung.

Wie für Jump ’n’ Runs üblich erzählt auch Crash Bandicoot 4 keine großartige Story. Die Bösewichte des Universums haben sich zusammengetan und bringen das Raum-Zeit-Gefüge ordentlich auseinander. In der Rolle des durchgeknallten und titelgebenden Beuteldachs Crash müssen wir ihnen das Handwerk legen und den Zeitstrahl mitsamt verschiedener Dimensionen wieder in Ordnung bringen. Wer die Reihe noch von früher oder zumindest die Remakes der Trilogie kennt, an die Crash Bandicoot 4 storytechnisch anknüpft, wird im Spiel viele altbekannte Gesichter treffen. Unter anderem machen uns Oberbösewicht Neo Cortex und seine Komplizen wie Nefarious Tropy oder N. Gin das Leben schwer. Unterstützung bekommen wir hingegen von Crashs Schwester Coco, einer alternativen Version seiner Freundin Tawna und dem Dingo-Krokodil-Hybridwesen Dingodile. Auch verschiedene Beschützergeister sind mit von der Partie. Es macht überhaupt nichts, die Vorgänger nicht zu kennen, denn die Zusammenhänge sind stets klar, sodass wir immer wissen, wer Freund und wer Feind ist. Wichtige Hintergrundinformationen für die Geschichte, wie zum Beispiel, dass Crash eigentlich ein genetisches Experiment ist, werden genau an der richtigen Stelle erwähnt. Dies geschieht entweder im laufenden Gameplay oder in vorgerenderten Zwischensequenzen, in denen das Hüpfspiel auch nicht mit – in erster Linie an Kinder gerichtetem – Humor geizt.

Altbekannte Genre-Muster

Auch wenn erwachsenen Spielern die Story und die Witze von Crash Bandicoot 4 nie mehr als ein müdes Lächeln oder ein Schulterzucken entlocken können, sieht das beim Gameplay schon wieder ganz anders aus. Dieses ist in einem Jump ’n’ Run vermutlich noch wichtiger als in allen anderen Genres und kann uns im Spiel sowohl positiv überraschen als auch zur Weißglut treiben. Grundlegend funktioniert das Jump ’n’ Run von Entwicklerstudio Toys for Bob nach bekannten Mechaniken und macht hier sehr vieles richtig. Wir laufen mit Crash durch parcoursartige zwei- und dreidimensionale Levels, springen über Abgründe, wirbeln Feinde aus dem Bildschirm, nehmen vor riesigen Kreaturen Reißaus, legen uns mit Bossgegnern an, zerstören Kisten und nutzen in bestimmten Abschnitten Spezialfähigkeiten. Dazu zählt zum Beispiel ein Phasenverschieber, der Plattformen im Wechsel verschwinden und wieder auftauchen lässt oder ein mächtiger Wirbel, mit dem wir weite Abgründe überwinden können. Auch das temporäre Verlangsamen der Zeit und die vollständige Gravitationsumkehr ist möglich. Ziel von Crash Bandicoot 4 ist in erster Linie das Ende der Levels zu erreichen, um den nächsten Spielabschnitt freizuschalten. Auf dem Weg dorthin gilt es jedoch hunderte, teils gut versteckter Kisten zu zerstören, um Früchte daraus zu entnehmen, für die wir wiederum Juwelen erhalten, mit denen wir neue – und leider nur kosmetische – Skins freischalten.

Fordernd, schwierig, unfair

Ein einsteigerfreundliches Jump ’n’ Run der Marke Super Mario 3D World ist Crash Bandicoot 4 aber nicht. Es braucht eine gewisse Einarbeitungszeit, den stellenweise exorbitant hohen Schwierigkeitsgrad zu meistern. Das Spiel ist nicht nur herausfordernd, sondern zerrt an viel zu vielen Stellen auch an unseren Nerven. Schuld daran ist das Spieldesign, das sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Während die einzelnen Levels wirklich abwechslungsreich gestaltetet sind und uns in verschiedenen Themenwelten wie einem Dschungel mitsamt Tempelruinen, einer karibischen Insel, einer ostasiatisch angehauchten Stadt oder eine Fabrik führen und uns dort immer wieder vor erfrischende Aufgaben stellen und sogar noch in einer invertierten Version gespielt werden können, ist die Umsetzung leider nur halbgar. Das fängt damit an, dass uns das Spiel nur wenige Dinge erklärt und viele neue Elemente nur kurz beim Ausprobieren angedeutet werden. Zu häufig müssen wir uns binnen einer Sekunde auf das neue Element einlassen – schaffen wir das nicht, landen wir meistens in einem Abgrund, was uns einen wertvollen Versuch kostet. Um beispielsweise ein Juwel im Level zu erhalten, dürfen wir nicht häufiger als drei Mal sterben. Wenn wir uns nicht für den modernen, sondern für den klassischen Modus entscheiden, steht uns sogar nur eine begrenzte Anzahl an Leben zur Verfügung. Mit diesem blöden Ausrutscher reißen die Ärgerlichkeiten aber noch nicht ab.

Grobe Spieldesignschnitzer

Auf Lebensenergie oder ähnliches verzichtet Crash Bandicoot 4. Crash, Coco und Konsorten stecken keine Treffer ein und landen am letzten Kontrollpunkt, sollten sie auch nur leicht von einem Gegner angehaucht werden oder in einen Abgrund fallen. Die Kontrollpunkte sind oft fair verteilt. Manchmal haben wir jedoch das Gefühl, dass sie recht willkürlich in einem Level auftauchen, denn während manche leichten Spielabschnitte gar mit zwei Checkpoints auskommen, müssen exorbitant schwierige Stellen in einem Rutsch absolviert werden. Das Spiel erkennt zwar, dass wir hier und da an etwaigen Situationen immer und immer wieder scheitern und kompensiert das sogar, indem es regelrecht intelligent neue Kontrollpunkte setzt oder unseren Helden mit einem Schutzpatron ins Rennen schickt, doch nicht immer macht der Ausgleich wirklich Sinn. Wenn wir immer wieder in denselben Abgrund fallen und das Spiel uns mit einem Schutzpatron ausstattet, mit dem wir einen weiteren Treffer aushalten, ist das zum Kopfschütteln. Crash Bandicoot 4 verzeiht nichts, weshalb dreißig bis vierzig Tode pro Level keine Seltenheit sind. In den letzten Spielabschnitten kann dieser Wert getrost verdoppelt werden. Beim Level „Kistenschlacht“ haben wir sogar über 130 Versuche gelassen. Am ärgerlichsten dürfte dabei aber sein, dass alle zerstören Kisten seit dem letzten Kontrollpunkt wieder unangekratzt im Level auf den nächsten Wirbel oder die nächste Explosion warten.

Verpasste Möglichkeiten

Titel wie Kirby und das extra magische Garn oder Super Mario Odyssey bieten ein besseres und vor allem zeitgemäßes Spieldesign, an dem sich die Entwickler hätten orientieren können. Immerhin ist den Entwicklern in all dem Chaos die Steuerung einigermaßen gut gelungen. Grundsätzlich geht diese kinderleicht von der Hand und in der Regel führen sämtliche Charaktere unsere Befehle auch richtig aus. Nur selten haben wir das Gefühl, dass ein Befehl entweder nicht registriert wird oder uns durch die Latenzzeit einen Streich durch die Rechnung macht. Lediglich das Zielen auf Objekte, wenn wir einen Charakter mit einer Schusswaffe steuern, bleibt bis zum Abspann ein Graus. Dafür macht Crash Bandicoot 4 hin und wieder Gebrauch vom rechten adaptiven Trigger des DualSense Controllers von der PlayStation 5. Hier blockiert der Trigger mittig und leistet einen harten Widerstand. Das fühlt sich aber selten richtig oder zur Situation passend an. Auch schade ist, dass die Rumble-Funktion des Controllers nicht genutzt wird. Vor allem da es unterschiedliche Böden wie Sandbänke, Holzplanken, Metallplatten oder Seerosenblätter gibt, wäre hier viel mehr möglich gewesen. Astro’s Playroom hat Ende 2020 doch fantastisch gezeigt, wie ein Spiel für die PlayStation 5 auszusehen hat! Einen Mehrspielermodus gibt es übrigens auch. Bei diesem wechseln wir uns bei Toden oder Checkpoints aber lediglich ab, indem wir den Controller einfach weiterreichen.

Kunterbuntes Grafikgerüst

Optisch sieht Crash Bandicoot 4 auf der PlayStation 5 schick aus und läuft durchweg butterweich. Vor allem die knallbunte Grafik und die comichaften Animationen wissen uns zu begeistern. In puncto Kreativität ist das Spiel auf Augenhöhe mit anderen Genre-Vertretern wie Sackboy: A big Adventure von Sumo Digital. Dennoch ärgert uns das Spiel zu häufig damit, dass gerade die dreidimensionalen Abschnitte über eine starre Kameraperspektive verfügen, die nur leicht nach links oder rechts gedreht werden kann. Viel zu oft lässt sich gar nicht abschätzen, wie weit oder wohin wir springen. Die gut gemeinte kreisförmige Markierung am Boden verwirrt hierbei sogar mehr als sie hilft. Schon Segas Landstalker: Die Schätze von König Nolo von 1992 hatte mit diesem Problem zu kämpfen, das im Jahr 2021 eigentlich ausgemerzt sein sollte. Schade ist auch, dass die Zwischensequenzen wenig organisch ausgeblendet werden, sodass wir plötzlich auf dem Ladebildschirm landen. Dafür passen die deutschen Synchronstimmen zu den Charakteren. Jederzeit fühlt sich Crash Bandicoot 4, auch aufgrund des anspruchslosen Humors, wie ein Animationsfilm aus dem Hause Disney an. Die stimmungsvolle Musik unterlegt das Geschehen gut, doch gibt es zu wenige Ohrwürmer, die das Spektakel zu einem erinnerungswürdigen Genuss machen. Für Fans ist das Spiel sicher der große Wurf, doch das Genre hat in den letzten Jahren wesentlich bessere Titel hervorgebracht.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der PlayStation-5-Fassung): Crash Bandicoot 4: It’s about Time ist vielleicht nicht meine erste Begegnung mit dem Franchise, aber zumindest der erste Serienteil, den ich länger als fünfzehn Minuten am Stück gespielt habe. Bis zum Abspann habe ich mich, teils unter Qualen, durchgekämpft – und dabei sowohl positive als auch negative Erfahrungen gesammelt. Mir gefallen die durchgedrehten Figuren, die kreativ aufgebauten Levels und der heftige Kontrast zwischen farbenfrohen Idyllen und dreckigen Abgründen des comichaften Szenarios. In puncto Gameplay sollten die Entwickler aber noch einmal die Schulbank drücken, denn wenn ich zum zehnten oder zwanzigsten Mal in ein und denselben Abgrund fliege, weil ich nicht richtig abschätzen kann, wo sich mein Charakter gerade genau befindet, und ich als sammelwütiger Perfektionist immer und immer wieder dutzende Kisten aufbrechen muss, um am Ende des Levels ein Juwel mehr zu erhaschen, ist das einfach nur schlechtes Spieldesign. Dies hätte den Entwicklern in der Qualitätssicherung auffallen müssen! Auch über eine Lebensenergie-Anzeige hätten sich diese meiner Meinung nach Gedanken machen müssen. Es ist nicht so, dass ich keinen Spaß mit dem Spiel habe, aber von vergleichbaren Titeln wie Sackboy: A big Adventure, Kirby Star Allies oder gar dem Genre-Primus Super Mario Odyssey ist Crash Bandicoot 4 meilenweit entfernt. Fans des Franchises werden dennoch voll und ganz auf ihre Kosten kommen. Alle anderen suchen sich lieber Alternativen.

Vielen Dank an Activision für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Crash Bandicoot 4: It’s about Time!

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