Damit Konsolenspieler in den frühen 2000er-Jahren ebenso etwas vom großen Kuchen des Dungeons-and-Dragons-Franchises abbekommen konnten, veröffentlichte man zwei Teile der Baldur’s-Gate-Dark-Alliance-Reihe. PC-Spielern blieben diese Titel aber lange Zeit verwehrt.
Storytechnisch knüpft Baldur’s Gate: Dark Alliance II nahtlos an den ersten Teil an. Eldrith wurde besiegt und der Onyxturm zerstört. Dass das nicht die ganze Wahrheit ist, erfahren wir im Verlauf der rund fünfzehnstündigen Kampagne. Ein enger Verbündeter von Eldrith, der Vampir Mordoc SeLanmere, will das entstandene Machtvakuum füllen. Dies müssen wir in der Rolle eines von fünf zur Wahl stehenden Helden verhindern. Im Vergleich zu anderen Titeln ist die Story sehr seicht, fügt sich aber mit wunderbar in das Gesamtkonzept ein. Den Vorgänger müsst ihr deswegen aber nicht zwingend gespielt haben. Alle wichtigen Fakten werden an den notwendigen Stellen in Dialogen und Monologen erklärt. Hier fällt jedoch auf, dass die epische Breite der deutlich rollenspiellastigeren Hauptreihe nicht erreicht wird. Mit dem Ansatz solltet ihr also nicht an Baldur’s Gate: Dark Alliance II herangehen. Es handelt sich beim Titel um ein waschechtes Action-Rollenspiel, das am ehesten mit Titeln wie Diablo II verglichen werden sollte. Ähnlich wie der Blizzard-Entertainment-Titel beginnt auch das von den Black Isle Studios stammende Werk mit der Charakterauswahl. Haben wir uns für den menschlichen Barbaren oder die Klerikerin desselben Volks, dem zwergischen Schützen, dem elfischen Nekromanten oder der dunkelelfischen Mönchin entschieden, geht es schon los.
Losrennen und draufhauen!
Auf dem Weg in die titelgebende Stadt Baldurs Tor beginnt das Spiel ohne große Erklärungen und ohne jegliches Tutorial. Hier fällt das Alter des Titels auf, denn 2004 war es noch nicht Gang und Gäbe, das jeder auch noch so kleine Aspekt eines Spiels erklärt werden muss. Wir schlagen auf Knopfdruck Goblins tot und sammeln unsere ersten Erfahrungspunkte, mit denen wir peu à peu im Level aufsteigen. Das ist unkompliziert und dürfte jeder Spieler auf Anhieb verstehen. Steigen wir eine Stufe auf, dürfen wir eine ständig ansteigende Menge an Fähigkeitspunkte verteilen. Somit steigern wir zum Beispiel zusätzlich unsere Trefferpunkte oder erlernen bestimmte Fähigkeiten, die sich ebenfalls verbessern lassen. Hier lässt uns Baldur’s Gate: Dark Alliance II jede Menge Freiheit. So können wir unsere Klerikerin sogar in eine waschechte Kämpferin verwandeln, sodass wir uns erst später auf ihre Zaubersprüche konzentrieren. Das Experimentieren macht durchaus Spaß und bis auf Ausnahmen ist der nächste Stufenaufstieg in der Regel nicht länger als dreißig Minuten entfernt, sodass wir mögliche Fehlentscheidungen relativ schnell korrigieren können. Eine Neuverteilung der Punkte ist im Action-Rollenspiel jedoch nicht vorgesehen. Noch dazu sammeln wir Beute und Gold auf, mit denen wir unseren Charakter nach und nach zu einem waschechten Helden ausbauen.
Dungeon-Crawler-Mentalität
Baldur’s Gate: Dark Alliance II ist nicht nur ein Action-Rollenspiel, sondern auch noch ein Dungeon-Crawler. Soll heißen, dass wir uns nur sehr selten am Ausgangspunkt, der Stadt Baldurs Tor, befinden. Hier können wir die eine oder andere Quest annehmen und uns beim Händler mit neuer Ausrüstung eindecken oder gar mit gesammelten Runen- und Edelsteinen den Waffen und Rüstungen wertvolle Boni hinzufügen. Ansonsten sind wir neunzig Prozent der Spielzeit in den Dungeons der Spielwelt unterwegs. Hierzu zählen dichte Wälder, dunkle Höhlen, vermoderte Ruinen, Schlösser und – wie könnte es auch anders sein – Verliese. Am Ende eines solchen Spielabschnitts wartet in der Regel ein starker Bossgegner. Während in den ersten Spielstunden auch unerfahrene Spieler Spaß am Erkunden der Spielwelt haben, fällt gerade das letzte Spieldrittel unangenehm auf. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad sind manche Bossgegner von Baldur’s Gate: Dark Alliance II derart hart, dass wir oft den Controller an die Wand werfen wollen. Mit der Zeit fällt auf, dass gerade die menschlichen Widersacher durch Umkreisen sehr leicht ausgeschaltet werden können. Entweder befindet sich die künstliche Intelligenz der Gegner auf dem Niveau einer Erdnuss oder entpuppt sich wie im Falle des roten Drachen Aizagora auch mal als durchtrainiert schnelle Killermaschine.
Geteiltes Leid ist halbes Leid
Da sich der Schwierigkeitsgrad nur zu Beginn festlegen lässt, kommen gerade vor Ende unnötige Hürden auf euch zu. Auch wenn die Dungeons-and-Dragons-Atmosphäre vieles wett macht, kann der Dungeon-Aufbau zunehmend schlauchen. Meistens sind die Räume mit einfachen Korridoren verbunden. Abzweigungen gibt es selten. Noch dazu enden diese meist in einer Sackgasse, sodass sich nur ein einziger Weg durch das Gemäuer schlängelt. Zudem fallen die Dungeons zu groß aus und da wir bis auf gelegentliches Schalterbetätigen nur stumpf auf die Gegner kloppen, wird das ziemlich schnell sehr eintönig. Zum Glück lässt sich Baldur’s Gate: Dark Alliance II zu zweit spielen. Da fällt die schwache Spielmechanik nicht mehr so negativ auf. Geteiltes Leid ist nun mal halbes Leid. Technisch kann das Spiel im Jahr 2022 allerdings nichts mehr reißen. Klar, der Titel ist fast zwei Jahrzehnte alt, aber die Portierung von Square One Games bietet tatsächlich nur höhere Bildschirmauflösungen. Soll heißen, dass Charaktermodelle inklusive Mimik und Gestik maßlos veraltet sind. Die Musik von Craig Stuart Garfinkle und Jeremy Soule passt zwar zum Geschehen, nachhaltig bleiben uns aber keine Melodien im Ohr. Die deutsche Synchronisation schwankt zwischen passabel und furchtbar. Baldur’s Gate: Dark Alliance II ist insgesamt leider nur ein mittelmäßiges Spiel. Für ein bis zwei Durchläufe mit einem Freund ist der Titel aber dennoch gut zu gebrauchen.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Bis heute habe ich es stets bedauert, weder Baldur’s Gate: Dark Alliance II noch dessen Vorgänger jemals gespielt zu haben. Mir war immer bewusst, dass die Titel es nicht mit den Rollenspielen der Hauptreihe aufnehmen können, aber dass meine Erfahrung so negativ sein würde, hätte ich nicht gedacht. Auch wenn die Story sehr seicht ist, gefallen mir die Charaktere und ihre Einordnung in der Geschichte. Zumindest in der ersten Hälfte des Spiels kann auch das Gameplay durchaus überzeugen. Dann fällt jedoch auf, dass große Abwechslung fehlt. Die Dungeons sind zu lang und wegen fehlender Rätsel zu eintönig. Noch dazu sind einige Gegner zum Ende des Spiels einfach viel zu resistent gegen meine mit zwei Morgensternen bewaffnete Klerikerin, sodass das eigentlich hohe Spieltempo unnötig gebremst wird. Es gibt zu viele Designentscheidungen, die mir nicht schmecken. Manche sind auf das Alter des Spiels zurückzuführen und in diesem Kontext auch verständlich. Komfortverbesserungen bei einer Neuveröffentlichung inklusive einer zumindest leichten technischen Überarbeitung abseits höherer Auflösungen und einer stabilen Bildwiederholrate hätte ich aber erwartet. Neben dem letzten Spieldrittel finde ich auch das offene Ende sehr schade, denn der dritte Serienteil wurde nach seiner plötzlichen Ankündigung Mitte der 2000er-Jahre genauso schnell gestrichen. Unterm Strich möchte ich den Titel nicht uneingeschränkt empfehlen. Besonders Solisten werden gegen Ende kaum mehr Spaß mit dem Spiel haben. Zu zweit kann das Abenteuer aber deutlich besser unterhalten. Wer also ständig mit einem Freund auf der Couch sitzt und ein wenig beiläufige Beschäftigungstherapie sucht, wird sie in Baldur’s Gate: Dark Alliance II mit ziemlicher Sicherheit finden.
Vielen Dank an Interplay Entertainment für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Baldur’s Gate: Dark Alliance II!