Review: Scott Pilgrim vs. the World – The Game (Complete Edition)

2004 begann Bryan Lee O’Malley mit dem Zeichnen an seiner Graphic Novel über den titelgebenden Scott Pilgrim. Zeitgleich mit Erscheinen des letzten Bandes lief 2010 der Film in den Kinos an. Mit Scott Pilgrim vs. the World – The Game veröffentlichte Ubisoft auch ein Videospiel, das zehn Jahre später nur noch wenig kennen.

Jüngere Spieler werden womöglich noch gar nichts von Scott Pilgrim und noch weniger von der Videospielumsetzung gehört haben. Das liegt zum einen daran, dass das Franchise nach Abschluss der Handlung stetig an Popularität verlor und das Videospiel aus Lizenzgründen Ende 2014 aus den Shops von PlayStation 3 und Xbox 360 genommen werden musste. Wer sich das Spiel in diesem Zeitraum nicht gekauft hat, hatte seither keine Möglichkeit, den Titel nachzuholen, zumal auch keine physische Version des Download-Titels existiert. Mit der für PlayStation 4, Xbox One, Nintendo Switch und PC veröffentlichten Complete Edition schreit der Titel seit Januar 2021 wieder nach neuer Aufmerksamkeit. In Scott Pilgrim vs. the World schlüpfen wir in die Rolle des titelgebenden Helden, der sich in die hübsche Ramona Flowers verliebt hat. Um mit ihr zusammen sein zu können, muss sich Scott jedoch ihrer sieben teuflischen Ex-Freunde entledigen. Das ist genauso absurd wie es klingt, steht aber im logischen Kontext zur Story der Graphic Novel respektive zum Kinofilm. Für uns heißt das, dass wir uns in bester Beat-’em-up-Manier durch sieben große Levels kämpfen, an deren Ende die insgesamt sieben Ex-Freunde auf uns warten. Eingepackt in einer hübschen Retro-Pixel-Optik ähnelt das Videospiel stilistisch aber eher der Graphic Novel als dem Kinofilm.

Jede Menge Videospielanspielungen

Sonderlich schlimm ist dies aber ganz und gar nicht, denn wer die Vorlagen nicht kennt, der weiß womöglich nicht, dass diese voller Referenzen an bekannte Videospiele stecken. Scott Pilgrim vs. the World geht in Videospielform noch ein wenig weiter. In einem Level läuft uns beispielsweise Link aus der The-Legend-of-Zelda-Reihe aus dem Hause Nintendo über den Weg. Dann wiederum erinnern uns an einer Stelle Animationen und Soundeffekte an Capcoms Mega-Man-Franchise. Zu Beginn des Spiels landen wir im Übrigen auf einer Oberweltkarte, die stark von Super Mario World inspiriert zu sein scheint. Nach und nach schalten wir die Level mitsamt ihren Unterabschnitten frei und können uns mit zunehmender Spielzeit freier über die Karte bewegen. Dennoch bleibt das Spiel zu jeder Zeit linear. Versteckte Wege gibt es, mit Ausnahme von wenigen Abkürzungen in den Levels selbst, keine. Hier haben die Entwickler bei Ubisoft Montréal und Ubisoft Chéngdū Potenzial verschenkt – und genau das zeigt sehr gut, dass die Complete Edition keine überarbeitete Fassung des Spiels aus dem Jahr 2010 ist, sondern nur eine Gesamtausgabe. Schlimm ist aber auch das nicht, zumindest nicht in weiten Teilen. Die visuell abwechslungsreichen Levels führen uns etwa durch die verschneiten Vororte Torontos, durch Filmsets, zu Partys und in einen unterirdischen Club.

Undurchschaubare Auswirkungen

Scott Pilgrim vs. the World spielen wir durchweg aus einer zweidimensionalen Seitenansicht. Wie im Sega-Mega-Drive-Klassiker Streets of Rage bewegen wir uns aber dennoch durch den dreidimensionalen Raum. So können wir über Abgründe springen, die Umgebung mit Fäusten und Tritten zerstören oder uns mit den zahlreichen Gegnerhorden messen. Ramonas sieben teuflische Ex-Freunde haben, zumindest im Videospiel, jede Menge Komplizen im Schlepptau, die uns von unserem Vorhaben abbringen wollen. Besiegte Gegner hinterlassen in der Regel ein paar kanadische Cent- oder Dollar-Münzen, mit denen wir uns in Restaurants die Bäuche vollschlagen oder uns Ausrüstungsgegenstände in den Läden erwerben. Leider erklärt einem das Spiel in dieser Hinsicht nicht viel, denn was die gekaufte Mahlzeit oder das Objekt bringt, erfahren wir erst nach dem Bezahlen. Hier müssen wir uns also auf ständiges Herumexperimentieren einlassen, denn nur so können wir unsere Attribute wie Stärke, Abwehr oder Schnelligkeit erhöhen. Bei einer Neuveröffentlichung hätte Ubisoft dieses Manko, das schon auf Xbox 360 und PlayStation 3 kritisiert wurde, ruhig anpassen dürfen. Dennoch ist es eine wahre Freude, plötzlich gestärkt aus dem Laden oder dem Lokal zu treten und weiter gegen die Feinde zu kämpfen und so peu à peu die kleinen, aber feinen Unterschiede zu bemerken.

Mitreißende Musik für alle Levels

Grundsätzlich funktionieren die Kämpfe nach einer gewissen Einarbeitungszeit ordentlich. Früher oder später haben wir gelernt, wie und wann die Gegner angreifen, sodass wir ihnen ausweichen können oder unseren Gegenangriff im richtigen Augenblick starten. Allerdings ist die Kollisionsabfrage den Entwicklern nicht durchweg gelungen. Manchmal stehen wir nur ein paar Millimeter diagonal zu weit weg und schon geht unser Angriffs ins Leere. Besonders ärgerlich ist, dass uns auch Gegner attackieren können, die sich gerade nicht im gezeigten Bildschirmabschnitt befinden. Wenn wir mal zu Boden geworfen werden und im Begriff sind aufzustehen, kommt es ebenfalls zu häufig vor, dass die Feinde die Situation ausnutzen und uns gleich wieder auf unseren Hosenboden katapultieren. Auch hier hätten wir uns gewünscht, dass Ubisoft noch einmal Hand an Scott Pilgrim vs. the World legt. Allerdings finden wir es gut, dass der Soundtrack nicht angerührt wurde und dieser das Geschehen noch genauso gut unterlegt wie in der Ursprungsfassung. Passend zum Retro-Stil setzt die Musik auf Chiptune-Klänge, die wir so ähnlich auch auf dem Nintendo Entertainment System oder dem Game Boy hätten erleben können. Die Melodien reißen mit und sorgen für Ohrwürmer. Auch wenn wir einen Level mehrfach spielen müssen, macht der Soundtrack immer noch Laune. Echt klasse!

Zu viert gegen den Rest der Welt

Scott Pilgrim vs. the World bietet in puncto Schwierigkeitsstufe eine steile Lernkurve. Wem der Titel auch auf dem niedrigsten der drei Schwierigkeitsgrade zu heftig ist, kann das Spiel sowohl online als auch offline mit bis zu drei Mitstreitern angehen. Zum Glück muss Scott, anders wie den Vorlagen, so nicht alleine kämpfen. Ramona, Knives Chau, Stephen Stills oder Kim Pine sind ebenfalls mit von der Partie. Jede Spielfigur will für sich aufgestuft werden und so neue Fähigkeiten erlernen. Leider unterscheiden sich die Charaktere für unseren Geschmack aber zu wenig. Die größten Unterschiede dürften somit kosmetischer Natur sein. Dennoch macht der Mehrspielermodus wie für das Genre üblich gleich doppelt so viel Spaß, zumal die Skills der Figuren hier auch kombiniert werden können. Wer genug vom Hauptspiel hat, kann sich auch in den Zusatzmodi versuchen. Hier gibt es zum Beispiel einen Boss-Rush-Modus, in dem wir alle Bossgegner möglichst schnell hintereinander besiegen müssen. Da kaum ein Spiel noch ohne Zombie-Modus auskommt, können wir in einem weiteren Modus versuchen, so viele Untote wie möglich zurück ins Grab zu schicken. Zu guter Letzt gibt es noch einen Versus- und einen Völkerballmodus. Alle, die an Kunio-kun gedacht haben, dürfen genüsslich schweigen. Notwendig wären diese Boni zwar nicht, doch sie sorgen dafür, dass wir abseits der Story noch ein wenig mehr Spaß mit Scott Pilgrim vs. the World haben.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der PlayStation-4-Fassung): Tatsächlich muss ich sagen, dass ich mit dem Kinofilm Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt bei der Erstaufführung im Jahr 2010 nicht so viel Spaß wie erhofft hatte. Passend zur Neuveröffentlichung des Videospiels habe ich dem Film eine zweite Chance gegeben – und was soll ich sagen: Geschmäcker ändern sich! Genauso sieht es auch mit Beat ’em ups aus. Konnte ich vor zehn Jahren mit dem Genre noch nichts anfangen, spiele ich sie mittlerweile richtig gerne als kürzere Lückenfüller. Mit Scott Pilgrim vs. the World werde ich aber auch nach dem Abspann noch sehr viel mehr Zeit verbringen. Mir gefallen der farbenfrohe Retro-Stil, der wuchtige Soundtrack mit Ohrwurmcharakter und die immer besser von der Hand flutschenden Kämpfe mit den Schergen von Ramonas Ex-Freunden. Das Beat ’em up von Ubisoft ist aber nicht makellos, denn es geizt zum einen mit Informationen und Erklärungen und zum anderen hätte die Kollisionsabfrage ruhig ein wenig besser respektive fairer gestaltet werden können. Schließlich bietet sich eine Neuauflage doch geradezu an, Schönheitsfehler zu beseitigen. Trotz dieser kleineren Mängel bleibt unterm Strich aber ein wirklich gutes Beat ’em up, an dem sich nicht nur Fans der Vorlage erfreuen werden. Genre-Fans kommen ohnehin nicht um den Klassiker herum!

Vielen Dank an Ubisoft für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Scott Pilgrim vs. the World – The Game (Complete Edition)!

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